Mercosur-Gipfel: Fototermin ohne Ursula von der Leyen
Auf dem Mercosur-Gipfel wird das Handelsabkommen mit der EU nicht wie geplant unterzeichnet. Der Staatenbund hat aber noch ganz andere Probleme.
Es wurde ein Gruppenbild ohne Dame. Vor der imposanten Kulisse der Wasserfälle des Iguazú-Flusses waren am Samstag die männlichen Staatsoberhäupter der südamerikanischen Wirtschaftsgemeinschaft Mercosur unter sich. Nachdem die Unterzeichnung des Freihandelsabkommens mit der Europäischen Union vorerst geplatzt war, reiste EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen erst gar nicht an.
Um ein Scheitern zu verhindern, hatte Gastgeberpräsident Luiz Inácio Lula da Silva noch im Vorfeld öffentlich damit gedroht, die Verhandlungen abzubrechen. Doch es nützte nichts. Von der Leyen verschob am Donnerstag die geplante Unterzeichnung auf das kommende Jahr. Der Grund: Frankreich, Polen, Ungarn, Österreich und zuletzt Italien lehnten den Abschluss des Deals ab – und bildeten somit die nötige Sperrminorität im Europäischen Rat.
So blieb der Mercosur-Gipfel das routinemäßige halbjährliche Treffen der Mercosur-Mitglieds- und assoziierten Staaten, das diesmal im brasilianischen Touristenort Foz de Iguazú stattfand. Lula da Silva ruderte von seiner Drohung, die Verhandlungen abzubrechen, zurück: „Das Abkommen wird geschlossen werden, und ich hoffe, dass es vielleicht im ersten Monat der Präsidentschaft Paraguays von meinem Kollegen Santiago Peña unterzeichnet wird“. Am Samstag wechselte routinemäßig der Mercosur-Vorsitz an Paraguay.
Kriegsdrohung von Trump im Mittelpunkt
Anstelle der feierlichen Vertragsunterzeichnung standen deshalb der Aufmarsch der US-Marine vor der venezolanischen Karibikküste und die jüngste Kriegsdrohung von US-Präsident Donald Trump im Mittelpunkt. „Eine bewaffnete Intervention in Venezuela wäre eine humanitäre Katastrophe für die Hemisphäre“, warnte Lula in seiner Eröffnungsrede. Mehr als vier Jahrzehnte nach dem Falkland-/ Malvinas-Krieg zwischen Argentinien und Großbritannien „wird der südamerikanische Kontinent erneut von der militärischen Präsenz einer externen Macht heimgesucht“, fügte er hinzu.
Javier Milei, argentinischer Präsident
Dagegen vertrat der rechtslibertäre Präsident Javier Milei eine völlig andere Ansicht. „Argentinien begrüßt den Druck der Vereinigten Staaten und Donald Trumps, das venezolanische Volk zu befreien. Die Zeit für ein zaghaftes Vorgehen in dieser Angelegenheit ist vorbei“, so Milei. Er erinnerte daran, dass Venezuela als Vollmitglied des Mercosur im Dezember 2016 aus der Wirtschaftsgemeinschaft ausgeschlossen wurde, weil es demokratische Standards und Menschenrechte nicht eingehalten hatte.
„Der politische Wandel in Lateinamerika sollte als klares Signal an den Mercosur verstanden werden. Entweder passt sich der Block dieser neuen Realität an oder er bleibt in einem Zustand der Trägheit stecken, den der Rest der Welt längst hinter sich gelassen hat“, erklärte Milei. Als Beispiel führte er den Sieg des rechtsextremen José Antonio Kast bei der Präsidentschaftswahl im assoziierten Mitgliedstaat Chile an. Zuvor hatte der neue konservative Präsident Rodrigo Paz während der gegenwärtigen Übergangsphase Boliviens zum fünften Vollmitgliedstaat des Mercosur die linke Regierung abgelöst.
Wie sich Milei diese neue Realität vorstellt, machte er mit einem Meme deutlich, das er während des Blitzbesuchs von Katz in Buenos Aires am Tag nach seinem Sieg postete. Darin werden die Länder Südamerikas mit rechtsgerichteten oder Mitte-rechts-Regierungen mit einer Landschaft aus Wohlstand und Wolkenkratzern dargestellt, während Länder mit linksgerichteten oder Mitte-links-Regierungen mit Elend und Slums gezeichnet sind. Mit Katz’ Abreise aus Buenos Aires verschwand das Meme von Mileis Account.
Mileis Äußerungen unterstreichen die wachsende politische Polarisierung innerhalb des Mercosur. Ob dies auch für das Abkommen mit der EU gilt, ist unklar. Milei verhandelt seit mehreren Wochen über ein Freihandelsabkommen mit den USA. US-Präsident Trump und sein Finanzminister Scott Bessent haben ihn Anfang Oktober vor dem finanziellen Ruin bewahrt. Seitdem ist seine Dankbarkeit gegenüber Washington noch größer geworden.
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