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Innovativer EnergieproduzentDrachenflug in die Pleite

Das hochverschuldete Hamburger Unternehmen Skysails hat Insolvenz angemeldet. Ein herber Rückschlag für die Flugwindenergie. Aber es gibt Hoffnung.

Skysails will Flugdrachen nicht nur zur Windstromerzeugung, sondern auch als Schiffsantriebe nutzen: „MS Beluga“ mit Kite-Segel Foto: Jorge Silva/reuters

Der selbsternannte „Weltmarktführer im Bereich Flugwindenergie“ hat Insolvenz angemeldet. Nach dem entsprechenden Antrag der Firma Skysails Power GmbH hat das Amtsgericht Hamburg bereits ein vorläufiges Insolvenzverfahren eröffnet. Auslöser für den Schritt sei gewesen, dass „die Verhandlungen mit einem Investor und damit die laufende Finanzierungsrunde nicht rechtzeitig zum Abschluss gekommen“ seien, hieß es aus dem Unternehmen.

Skysails hat seinen Sitz in Hamburg und beschäftigt aktuell 124 Mitarbeiter. Es verfügt über eine Produktionsstätte in Seevetal in Niedersachsen und ein Forschungsareal in Klixbüll in Nordfriesland.

Die Technik, die das Unternehmen verkauft, basiert auf einem automatisch gesteuerten Flugdrachen, der die Zugkraft des Windes nutzt, um per Seilwinde einen Generator in einer Bodenstation anzutreiben. Wenn das Zugseil seine maximale Länge erreicht hat, beginnt die Rückholphase: „Der Drachen wird in eine Position geflogen, in der seine Zugkraft sehr gering ist“, so die Firma.

Der Generator arbeitet dann als Motor und wickelt das Seil wieder auf, bis die Länge des Seils kurz genug ist für die nächste Stromerzeugungsphase. Dieser Rückholprozess benötigt laut Skysails „nur einen Bruchteil der Energie, die während der Leistungsphase erzeugt wird“.

Subventionierte Anlage

Für eine entsprechende Forschungsanlage in Klixbüll mit einer Nennleistung von 100 Kilowatt (Projektname: SkyPower100) hatte das Bundeswirtschaftsministerium in den Jahren 2018 bis 2022 Fördergelder in Höhe von 1,73 Millionen Euro bezahlt. Auch die Stadt Hamburg, das Land Schleswig-Holstein und die Gemeinde Klixbüll gewährten dem Projekt nach Firmenangaben „Förderung und maßgebliche Unterstützung“. Im Bundestagswahlkampf 2021 hatte auch Robert Habeck als Bundesvorsitzender von Bündnis 90/Die Grünen die Anlage besucht.

Der landschaftliche Eingriff ist bei Flugdrachen im Vergleich zu Windrädern geringer

Noch im September hatte sich die Firma optimistisch gezeigt und mitgeteilt, sie baue ihre strategische Partnerschaft mit der Aisails Power Inc. aus, einem Tochterunternehmen der taiwanesischen Wistron Corporation. Gemeinsam wolle man nun „kite-basierte Höhenkraftwerke auf das nächste Level bringen und künstliche Intelligenz in verschiedenen Anwendungsbereichen integrieren“.

Geringer Ressourcenverbrauch

Skysails ist weiterhin von seinem Ansatz überzeugt. Die Windkraftnutzung mit Flugdrachen habe mehrere Vorteile, so das Unternehmen: Die Kombination von „fortschrittlichen Materialien, Software und automatisierten Steuerungssystemen“ reduziere „den Ressourcenverbrauch um bis zu 90 Prozent“. Auch sei „der landschaftliche Eingriff vergleichsweise gering“. Die Anlagen könnten „den energiereichen und konstanten Wind in Höhen von bis zu 400 Metern nutzen“. Damit ergebe sich „eine sehr stetige Stromproduktion, die es erstmals erlaubt, erneuerbare Energien in der Grundlastversorgung einzusetzen“.

Das enorme Potenzial des Höhenwindes sieht auch Claus Hartmann, Professor für Nachhaltige Energieversorgung an der Hochschule Flensburg. Gleichwohl muss er konstatieren, dass es in der Praxis noch nirgendwo gelungen sei, diese Energie in relevantem Maße zu nutzen: „Alle Projekte dieser Art vereint bisher die Erfolglosigkeit.“

Ob sich das eines Tages ändern könnte? Der Verband der europäischen Flugwindenergieindustrie Airborne Wind Europe äußerte sich auf die Anfrage der taz zur Situation in der Branche nicht. Optimistisch zeigt sich unterdessen Roland Schmehl, Ingenieur und Professor an der Fakultät für Luft- und Raumfahrttechnik der Technischen Universität Delft: „Ein grundsätzliches Problem mit der Flugwindenergie sehe ich nicht.“ Im Gegenteil, es gebe „positive Rückmeldungen aus der Markteinführung der Technologien“. Schmehl kennt die Branche sehr gut: Im Jahr 2016 war er Mitbegründer der Flugwindkraft-Firma Kitepower, einer Ausgründung der TU Delft.

Bei Skysails häuften sich indes Verluste an. Allein das Jahr 2023 brachte ein Minus von 8,5 Millionen Euro, der Verlustvortrag hatte sich zu dieser Zeit bereits auf 29,6 Millionen Euro summiert. Dass die Firma nach eigenen Angaben nun im November 2025 über Aufträge mit einem „zweistelligen Millionenbetrag“ verfügte, konnte sie nicht vor dem Gang zum Insolvenzgericht bewahren. So liegt die Zukunft des Unternehmens jetzt in den Händen eines vorläufigen Insolvenzverwalters, des Hamburger Rechtsanwalts Tjark Thies. Die Firma hofft auf einen Neuanfang nach der Insolvenz und benennt nach wie vor große Ziele: Sie wolle „den Höhenwind als größte erneuerbare Energiequelle nutzbar machen“.

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