Streit zwischen Warken und Krankenkassen: Für Millionen Versicherte steigen 2026 die Beiträge
Die Bundesregierung hatte versprochen, dass die Krankenkassenbeiträge stabil bleiben. Jetzt beschuldigen sich Krankenkassen und Politik gegenseitig.
Die Steigerung der Krankenkassenbeiträge zu verhindern, vor zwei Wochen war das noch „erklärtes Ziel der Bundesregierung“. So zumindest sagte es Friedrich Merz vor Bürger:innen in der ARD-Arena. Jetzt steht fest: Daran ist der Bundeskanzler und seine Bundesgesundheitsministerin Nina Warken (CDU) gescheitert. Am vergangenen Freitag kündigten die Techniker Krankenkasse und die DAK an, die Zusatzbeiträge für ihre Millionen Versicherten zu erhöhen und kritisierten Warken scharf. Die schießt jetzt zurück. Kurz vor Weihnachten eskaliert ein Konflikt mit Ansage.
Seit Monaten haben gesetzliche Krankenkassen (GKV) vor steigenden Beiträgen für das Jahr 2026 gewarnt. Das von der Bundesregierung vorgelegte Sparpaket sei zu klein, um die erwartete Finanzierungslücke von 2 Milliarden zu schließen, kritisierte der GKV-Spitzenverband bereits im Oktober. Die Bundesregierung hielt dennoch an ihren Plänen fest die GKV zu entlasten, indem bei Krankenhäusern gespart wird. Eine Regelung, die auch in den Ländern umstritten war, dort fürchtete man wiederum, die Lücken bei den Krankenhäusern füllen zu müssen.
Trotz Kritik aus allen Richtungen wurde das Sparpaket nach einer Anhörung im Vermittlungsausschuss am Freitag von Bundestag und Bundesrat gebilligt. Eine Reaktion von TK und DAK folgte jäh: „Das kleine Sparpaket der Bundesregierung reicht nicht aus, um das Versprechen stabiler Beitragssätze in der gesetzlichen Krankenversicherung halten zu können“, sagte Andreas Storm, Vorstandschef der DAK.
Warken weist Kritik zurück
Für Millionen von gesetzlich Versicherten wird sich die Krankenversicherung also im nächsten Jahr verteuern. Konkret erhöht die TK ihre Zusatzbeiträge von 2,45 Prozent auf 2,69 Prozent, die DAK von 2,8 Prozent auf 3,2 Prozent. Auch Versicherte anderer Krankenkassen sind betroffen. Begründet wird der Anstieg vor allem durch Kosten bei Krankenhausbehandlungen, Arzneimitteln und für ambulante ärztliche Versorgungen. „Durch die unzureichenden Reaktionen der Politik bestehen diese Finanzprobleme der gesetzlichen Krankenversicherung weiter“, schreibt die DAK ganz explizit in ihrer Mitteilung an die Versicherten.
Grünen-Gesundheitspolitiker Janosch Dahmen
Warken wiederum weist die Kritik zurück: „Wenn die Kassen sagen, dass nur die anderen schuld seien, machen sie es sich zu einfach“, sagte sie am Montag der Süddeutschen Zeitung. „Jeder hat Verantwortung, auch die Kassen.“ Warken insistiert, sie habe die Finanzlücke geschlossen. Nun würde sich im Wettbewerb unter den Krankenkassen zeigen, wie die jeweiligen Anbieter damit umgingen. „Ich habe als Gesundheitsministerin den kassenindividuellen Zusatzbeitrag nicht in der Hand“, sagte sie.
Die gesetzlichen Krankenkassenbeiträge von derzeit 14,6 Prozent sind vom Gesetzgeber festgelegt. Die Zusatzbeiträge können die mehr als 90 gesetzlichen Krankenversicherungen in Deutschland selbst festlegen. Diese sind in den letzten Jahren kontinuierlich gestiegen, aktuellen Schätzungen zufolge dürfte der durchschnittliche Zusatzbeitrag aller Kassen 2026 erstmals bei über 3 Prozent liegen.
„Kein Betriebsunfall, sondern das Ergebnis politischer Untätigkeit“
Der Grünen-Gesundheitspolitiker Janosch Dahmen übte scharfe Kritik an Warken: „Dass die Ministerin nun den Krankenkassen eine Mitschuld zuschiebt, ist ein politischer Offenbarungseid.“ Die Kassen erhöhten die Beiträge nicht aus Willkür, sondern weil die Ausgaben explodierten und die Politik die strukturellen Probleme seit Monaten nicht angehe. Statt mutiger Entscheidungen habe es Kommissionen, Prüfaufträge und Zahlentricks gegeben, so Dahmen weiter. „Was wir derzeit erleben, ist kein Betriebsunfall, sondern das Ergebnis politischer Untätigkeit.“
Der Ruf nach grundlegenden Reformen kommt auch von den Krankenkassen: Wenn die Beiträge nicht jedes Jahr steigen sollen, brauche es „echte Reformen und den politischen Mut, diese dann auch umsetzen“, sagte Jens Baas, der TK-Chef gegenüber der Bild. Storm verlangte einen „Neustart in der Reformpolitik bei Gesundheit und Pflege“.
Anfang Dezember war Warken bereits für ihre ambitionslose Pflegepolitik kritisiert worden. Eine von ihr eingesetzte Bund-Länder-AG konnte nach fünf Monaten keine richtungsweisenden Empfehlungen für eine nachhaltige Finanzierung der Pflegeversicherung geben. Mit der gescheiterten Stabilisierung der Krankenkassenbeiträge nimmt der Druck auf die Bundesgesundheitsministerin nun weiter zu.
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