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Mitgliederbegehren in der SPDDie SPD wird das Bürgergeld nicht los

Der SPD-Vorstand ist mit einem möglichen Mitgliederentscheid beim Bürgergeld konfrontiert. Eigentlich soll das Gesetz bald durchs Parlament.

Wer ist hier im Bürgergeld auf zusätzliche Hilfe angewiesen? Essensausgabe bei der Bremer Tafel Foto: dpa
Cem-Odos Gueler

Aus Berlin

Cem-Odos Gueler

Das SPD-Mitgliederbegehren gegen die geplanten Verschärfungen beim Bürgergeld hat eine wichtige Hürde genommen: Ein Parteisprecher teilte der taz am Montag auf Anfrage mit, dass das in der ersten Stufe erforderliche Quorum von einem Prozent der Mitgliederunterschriften erreicht ist und das Begehren somit erfolgreich eingeleitet wurde. Die Initiatorinnen des Vorhabens fordern, dass anders als vergangene Woche vom Kabinett beschlossen die Sanktionen beim Bürgergeld nicht verschärft werden. „Die Sozialdemokratie darf sich nicht an einer Politik beteiligen, die Armut bestraft und Solidarität infrage stellt“, heißt es in dem Aufruf.

In der zweiten Stufe wird nun das eigentliche Begehren starten: Auf einer Onlineplattform können SPD-Mitglieder ihre Unterstützung erklären. Als erfolgreich gilt das Begehren, wenn sich innerhalb von drei Monaten 20 Prozent der 365.000 Parteimitglieder – also etwa 73.000 Menschen – hinter die Forderung stellen. In dem Fall müsste der Vorstand entscheiden, ob er dem Begehren stattgibt. Lehnt er es ab, folgt eine Abstimmung unter den SPD-Mitgliedern.

Für den Parteivorstand kommt die Nachricht denkbar ungelegen. Die SPD wollte die leidigen Debatten zum Bürgergeld hinter sich lassen. Erst vergangenen Mittwoch hatte das Bundeskabinett sich auf einen Gesetzentwurf aus dem Arbeitsministerium von Bärbel Bas (SPD) geeinigt. Demnach soll ab 2026 eine neue Grundsicherung das Bürgergeld ablösen. Die Pläne sehen vor, dass die Sanktionen dabei massiv verschärft werden.

So sollen etwa Menschen, die Fördermaßnahme abbrechen, die Leistungen direkt um 30 Prozent für bis zu drei Monate gekürzt werden – dies entspricht beim aktuellen Regelsatz von 563 Euro etwa 150 Euro. Außerdem soll für diejenigen, die ein Arbeitsangebot ablehnen, der Regelsatz ganz gestrichen werden dürfen. Für ein wiederholtes Terminversäumnis ohne Angabe von Gründen sollen Menschen alle Leistungen verlieren. Grüne, Linke und zahlreiche Sozialverbände sehen die Bürgergeld-Pläne deshalb kritisch.

Nun steht die SPD vor einem Dilemma

So auch die drei Initiatorinnen des Mitgliederbegehrens, Eva-Maria Weimann (stellvertretende SPD-Parteivorsitzende in Bayern), Melissa Butt (Landesvorstand in Thüringen) und Franziska Drohsel (SPD Berlin, ehemalige Juso-Vorsitzende). In ihrem nun erfolgreichen Antrag für das Mitgliederbegehren fordern sie, „eine sozialdemokratische Linie, die auf Vertrauen, Unterstützung und Gerechtigkeit setzt – nicht auf Druck und Sanktionen“.

Damit steht die SPD vor dem großen Dilemma, die eigene Partei auf Kurs und den Koalitionspartner bei der Stange zu halten. Mit der Union ist vereinbart, dass die Verschärfung des Bürgergelds größtenteils zum 1. Juli 2026 in Kraft treten soll. Dafür müsste das Gesetz im Frühjahr das Parlament passieren – also noch während das Mitgliederbegehren läuft. Wie es die Parteiführung hinbekommen will, die innerparteiliche Demokratie zu achten und den Koalitionsfrieden zu gewährleisten, ist nun die große Frage.

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