piwik no script img

Neue Fluggeräte für DeutschlandDie Bundeswehr setzt 2026 auf Kamikazedrohnen

Das Verteidigungsministerium vergibt millionenschwere Aufträge zur Drohnenproduktion. Die Beschaffung wird durch einen Trick erleichtert.

Kann fliegen: Drohne vom Typ Loitering Munition System der Firma Stark Defence bei einem Appell in der Rommel-Kaserne Foto: Friso Gentsch/dpa
Dirk Eckert

Aus Berlin

Dirk Eckert

Die Bundeswehr hat im laufenden Jahr eine Reihe von Tests mit Kampfdrohnen absolviert und vergibt 2026 Aufträge für die Beschaffung der unbemannten Waffen. Ab 2027 sollen die ersten dieser Drohnen mittlerer Reichweite an die Brigade Litauen gehen, so der Zeitplan der Bundeswehr. Rund 900 Millionen Euro soll es kosten, die Bundeswehr für einen Drohnenkrieg auszurüsten, wie er derzeit im Osten der Ukraine geführt wird.

Am Ende könnte der Auftrag auch gedrittelt werden, denn es haben sich drei Firmen darauf beworben. Das Berliner Rüstungs-Start-up Stark Defence schickt die Drohne Virtus ins Rennen, Rheinmetall sein Modell Raider. Das auf KI beim Militär spezialisierte Münchner Softwareunternehmen Helsing tritt mit der Drohne HX-2 an, „eine neue Art von Strike-Drohne: softwaredefiniert und massenproduzierbar“, so das Unternehmen.

„Mit der Beschaffung von Loitering Munition beginnt für die Bundeswehr eine neue Ära“, kündigt die Bundeswehr auf ihrer Webseite an. Es handle sich um „einen Gamechanger auf dem Gefechtsfeld“: „Vergleichsweise kostengünstig ermöglicht Loitering Munition eine präzise Bekämpfung einzelner gegnerischer Ziele über eine große Entfernung.“

Die Bundeswehr wiegelt Befürchtungen zu KI ab

Damit bekommt die Bundeswehr jetzt das, was früher schwer umstritten war: Kampfdrohnen. In der Koalition mit der Union hatte die SPD jahrelang die Anschaffung blockiert, doch nach dem Überfall Russlands auf die Ukraine fiel dann unter dem sozialdemokratischen Kanzler Olaf Scholz die Entscheidung, solche Drohnen doch zu beschaffen. Der Krieg im Osten der Ukraine, aber auch die Einnahme von Berg-Karabach durch Aserbaidschan hatten gezeigt, welche Bedeutung Drohnen heute auf dem Schlachtfeld haben.

Das blieb natürlich hiesigen Militärs nicht verborgen, die jetzt aufschließen wollen. Im 2025 entschied das Verteidigungsministerium, sogenannte Kamikazdedrohnen anzuschaffen. Zwei Verträge über den Kauf solcher Drohnen zu Testzwecken wurden unterzeichnet.

Diese Tests sind 2025 absolviert worden. Anfang Dezember hat die Bundeswehr einen Drohnenschwarm erfolgreich getestet. Im Gefechtsübungszentrum des Heeres in der Letzlinger Heide wurde geübt, wie herkömmliche Drohnen und Kamikazedrohnen zusammen eingesetzt werden können. Die Übung lief laut Bundeswehr so ab, dass die Drohnen aufstiegen und zunächst am Himmel „lauerten“ (loitering).

Nachdem feindliche Aktivitäten ausgemacht waren, stürzten sich die Drohnen auf ihre Ziele. „Alle Hersteller trafen während der Tage auf dem Übungsplatz der Bundeswehr mit ihren Systemen ins Schwarze“, berichtet die Bundeswehr zufrieden. Wobei sie betont, dass die letztliche Entscheidung, ob und wie ein Ziel bekämpft wird, immer von Menschen getroffen werden soll. Das soll Bedenken zerstreuen, dass künftig KI-gesteuerte Kampfroboter autonom und ohne menschliche Kontrolle töten könnten.

Die Bundeswehr labelt Drohnen als Munition

Generalinspekteur Carsten Breuer war bei den Tests persönlich vor Ort. „Das ist die Wiege für die zukünftige Kampfführung der Bundeswehr, nämlich Multi-Domain Operations“, lobte er. Die Einweg-Drohnen sollen Teil von größeren Operationen sein, die zu Lande, zu Wasser, in der Luft oder im Cyberraum ausgeführt werden sollen. „Sie versetzen die Bundeswehr in die Lage, den Feind durch schnelle und überwältigende Schläge zu besiegen“, so die Bundeswehr.

Auch ein weiterer Test in Bayern verlief im Dezember erfolgreich. Getestet wurden Gefechtsköpfe der Rüstungsfirma TDW für die Drohne Virtus von Stark Defence. Sie konnten mehr als 800 mm dicken Panzerstahl durchschlagen. TDW kündigte an, man könne viele tausend Stück pro Jahr herstellen.

Die Bundeswehr erleichtert sich die Beschaffung mit einem Trick: Sie definiert Einweg-Drohnen nicht als Drohnen, sondern als Munition. „Im Gegensatz zu Drohnen ist Loitering Munition aber zum einmaligen Gebrauch ausgelegt. Sie wird wie andere Munitionsarten verschossen“, erklärt die Bundeswehr „Deswegen handelt es sich bei den Flugkörpern nicht offiziell um Luftfahrzeuge, sondern um Munition.“ Das sei insofern wichtig, da an ein unbemanntes Luftfahrzeug „mit Blick auf die Flugsicherheit und Zertifizierung des Personals deutlich höhere technische Anforderungen gestellt werden als bei Munition“. Und das wäre dann natürlich teurer und würde die beabsichtigte Massenproduktion unterlaufen.

Ein Investor, der die Demokratie verachtet

Der Test im Gefechtszentrum des Heeres im Dezember war für Stark Defence insofern wichtig, als ein Test Anfang November wohl schiefgegangen war. Laut Medienberichten soll die Drohne damals ihr Ziel verfehlt haben. Was nicht zuletzt wegen der finanziellen Beteiligung eines weltbekannten Investors international Schlagzeilen machte. „Start-up-Drohne, unterstützt von Peter Thiel, stürzt ab und verbrennt bei Tests der Streitkräfte“, berichtete die Financial Times.

So soll Peter Thiel, US-Tech-Milliardär und Trump-Unterstützer, in einer Finanzierungsrunde im Jahr 2025 15 Millionen Euro in den Virtus-Hersteller Stark Defence investiert haben. Jener Peter Thiel, der Demokratie und Freiheit nicht mehr für vereinbar hält und einer der Gründer der Überwachungssoftwarefirma Palantir ist, die auch in Deutschland eingesetzt wird – ungeachtet aller Kritik.

Und auch bei einem anderen deutschen Drohnenhersteller ist Peter Thiel dabei: Bei der 2015 gegründeten, in Bayern ansässigen Firma Quantum Systems ist er seit Oktober 2022 Risikokapitalgeber. Zusammen mit dem ukrainischen Drohnenbauer Frontline Robotics produziert die Firma jetzt direkt für die Ukraine: Quantum Systems und Frontline Robotics vereinbarten kürzlich beim Deutsch-Ukrainischen Wirtschaftsforum in Berlin, Zehntausende Drohnen pro Jahr für die Ukraine zu produzieren. Der Wert des Geschäfts soll im dreistelligen Millionenbereich liegen. Auf diese Weise will Kyjiw die Drohnenproduktion ins sichere Ausland verlagern.

Gemeinsam für freie Presse

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Alle Artikel stellen wir frei zur Verfügung, ohne Paywall. Gerade in diesen Zeiten müssen Einordnungen und Informationen allen zugänglich sein. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass kritischer, unabhängiger Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 50.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen

Mehr zum Thema

0 Kommentare