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CDU-Mann im sächsischen NebelschützKampagne gegen Bürgermeister bleibt folgenlos

2022 wurde Bürgermeister Thomas Zschornak mit Diffamierungen überzogen. Nun ist klar: Die Täter kommen davon, die Ermittlungen sind eingestellt.

„Ich bin sehr enttäuscht.“ Der frühere Bürgermeister von Nebelschütz in Sachsen, Thomas Zschornak Foto: Sebastian Kahnert/dpa

Es war eine massive Kampagne, die im Frühjahr 2022 über Thomas Zschornak hereinbrach. Dem damaligen ehrenamtlichen CDU-Bürgermeister der sorbischen Gemeinde Nebelschütz in Sachsen, seit 32 Jahren im Amt, wurden plötzlich auf Flugblättern und zwei anonymen Internetseiten Vettern- und Misswirtschaft, Amtsmissbrauch oder Lügen vorgeworfen. Keiner der Vorwürfe ließ sich später erhärten. Aber Zschornaks Ruf war angekratzt, der damals 58-Jährige erlitt einen Zusammenbruch und Depressionen, bekam Entzündungen, lief an Krücken.

Zschornak stellte wegen der Kampagne damals über seinen Anwalt Anzeige bei der Staatsanwaltschaft Görlitz – wegen Beleidigung, übler Nachrede, Verleumdung und Verletzung des Dienstgeheimnisses, zunächst gegen Unbekannt. Später benannte Zschornak auch zwei Verdächtige: seinen Nachfolger im Bürgermeisteramt, André Bulang, und Mirko Domaschke, den damaligen Vorsitzenden des Verwaltungsverbands, zu dem auch Nebelschütz gehört – weil beide Zugriff auf interne Dokumente hatten, die in der Kampagne auftauchten. Nun, dreieinhalb Jahre nach der aufwendigen Diffamierungskampagne, ist klar: Alle Verantwortlichen dafür kommen ungestraft davon, die Ermittlungen sind eingestellt.

Die Staatsanwaltschaft Görlitz bestätigte der taz die Einstellung. „Im Ergebnis von umfangreichen Ermittlungen konnte keiner konkreten Person eine Täterschaft nachgewiesen werden“, erklärte eine Sprecherin. Auch die Generalstaatsanwaltschaft Dresden wies eine Beschwerde von Zschornak gegen die Einstellung zurück: Die Entscheidung der Staatsanwaltschaft Görlitz entspreche der Sach- und Rechtslage, heißt es dort.

Thomas Zschornak zeigt sich ernüchtert. „Ich bin schwer enttäuscht“, sagte er der taz. „Es gab viele Indizien, um Verantwortliche zu ermitteln. Und ich habe Zweifel, ob diesen wirklich allen nachgegangen wurde.“ Zschornak selbst hatte sogar einen Privatdetektiv engagiert und dessen Ergebnisse dem LKA übermittelt, etwa das, dass die anonyme Website von einer Briefkastenfirma in Prag und von einem slowenischen Geschäftsmann betrieben wurde. „Dass daraus nichts gemacht wurde, ist sehr bedauerlich.“

Eingetreten für Nachhaltigkeit und Weltoffenheit

Zschornak hatte in Nebelschütz – einem Ort mit 1.100 Einwohnenden 20 Kilometer vor Bautzen – nachhaltige, „enkeltaugliche“ Projekte vorangetrieben und war dafür wiederholt prämiert worden. Auch hatte sich der Sorbe und CDU-Mann für Weltoffenheit und ein soziales Miteinander eingesetzt.

Im März 2022 waren dann aber auf zwei anonymen Internetseiten Vorwürfe aufgetaucht, ebenso auf Flugblättern in Briefkästen und an Autos, von einer selbsternannten Recherchegruppe. Zschornak wurde vorgeworfen, die Gemeinde zu verschulden, windige Geschäfte zu betreiben oder ein „Netzwerk“ geknüpft zu haben, das etwa seinem Sohn verbilligt ein Grundstück verschafft habe. Eine spätere Prüfung der Rechtsaufsicht sah dagegen weder rechtswidriges Handeln noch eine persönliche Vorteilsnahme. Im Sommer 2022 war Zschornak dann nicht noch einmal zur Wiederwahl angetreten – seine Entscheidung war allerdings schon zuvor gefallen.

Wer aber hinter den konzertierten Diffamierungen gegen ihn stand, bleibt nun unaufgeklärt. Nach taz-Informationen hatten sowohl Zschornaks parteiloser Nachfolger Bulang als auch der frühere Vorsitzende des Verwaltungsverbands Domaschke, die beide zur Tatzeit mit dem CDU-Mann im Clinch lagen, im Ermittlungsverfahren die Aussage verweigert. In einem Zeitungsinterview aber hatte Domaschke, heute für die Stadt Dresden tätig, bestritten, Dienstunterlagen an die „Recherchegruppe“ weitergegeben zu haben – und er soll dies auch in einem internen Schreiben an Vorgesetzte getan haben. Sowohl Bulang als auch Domaschke ließen taz-Anfragen unbeantwortet.

Und die Staatsanwaltschaft soll anderweitig keinen Nachweis gefunden haben, dass die beiden an der Kampagne beteiligt waren. Letztlich hätten nicht nur die zwei Beschuldigten, sondern zahlreiche Personen Einblick in Gemeindeinterna gehabt, argumentiert die Behörde intern. Die Betreiber der heute nicht mehr aufrufbaren Websites seien nicht ermittelbar gewesen, die Hinweise des Privatdetektivs nicht weiter überprüfbar. Zeugen der Flugblattaktion gebe es nicht, Untersuchungen der Festplatten der Gemeinde blieben ergebnislos. Auch andere Verantwortliche für die Diffamierungen konnten so nicht ermittelt werden.

Sozialministerin stellt sich hinter Zschornak

Dabei hatte Zschornaks Fall für einiges Aufsehen gesorgt. Auch Sachsens Vizeministerpräsidentin und Sozialministerin Petra Köpping (SPD) hatte sich mit ihm solidarisiert und Zschornak sowie weitere bedrohte Bür­ger­meis­te­r*in­nen nach Dresden eingeladen. Auch nun springt Köpping dem CDU-Mann wieder bei. „Das Beleidigen, Bedrohen oder Mobben von Bürgermeisterinnen und Bürgermeistern sowie anderen kommunalen Mandatsträgerinnen und Mandatsträgern ist kein legitimer Protest, sondern es ist ein direkter Angriff auf unsere Demokratie“, sagte Köpping der taz. „Die Kommunen sind das Rückgrat der demokratischen Kultur, und es liegt in unserer Verantwortung, die Menschen zu schützen, die sich für das Gemeinwohl einsetzen.“ Köpping bot Zschornak erneut Hilfe an: „Betroffene Politiker haben bei mir immer ein offenes Ohr.“ Und die Sozialdemokratin appellierte an die Ermittlungsbehörden: „Wir, auch Polizei und Justiz, müssen genau hinschauen.“

Köpping verwies als Antwort auf die Bedrohungen auf die Bundesratsinitiative Sachsens, politisches Stalking zu bekämpfen, und auf die Kommunaldialoge ihres Ministeriums, die einen geschützten Raum für Austausch böten. „Wir dürfen betroffene Mandatsträger nicht allein lassen, sondern müssen ihnen den Rücken stärken. Das darf kein Lippenbekenntnis sein.“

In Nebelschütz wickeln Neubürgermeister Bulang und der Gemeinderat derweil weiter einige von Zschornaks Projekten ab, zuletzt die Städtepartnerschaft mit dem ungarischen Ladánybene und mit Ouidah in Benin. Bulang verwies auf die große Entfernung und Finanzengpässe von Nebelschütz. Die beteiligten Vereine hatten dagegen betont, die Partnerschaften seien ehrenamtlich und kosteten nichts.

Zschornak selbst aber gibt nicht auf, will gegen die eingestellten Ermittlungen noch einmal Widerspruch einlegen. Und er engagiert sich inzwischen mit einem neuen Projekt: einer Stiftung namens Enkeltauglich, mit der er Projekte in der Region unterstützen will, die sich für nachhaltige, solidarische Lebensbedingungen einsetzen.

Dass bisher niemand für die Kampagne gegen ihn zur Rechenschaft gezogen wird, aber hängt ihm nach. „Es geht hier ganz generell um den Schutz eines wichtigen Amtes, des Bürgermeisteramtes“, betont Zschornak. „Wenn solche Diffamierungen folgenlos bleiben, dann überlegen es sich die Menschen zweimal, ob sie so eine Aufgabe übernehmen. Und dann schadet das der Zivilgesellschaft und damit allen.“

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