Weihnachten und Family-Business: Firmenchefs und Rechtsextremismus
Eigentum verpflichtet. Das musste auch der Verband der Familienunternehmer einsehen, nachdem er die Brandmauer zur AfD sprengen wollte.
D a Weihnachten der Familie gewidmet ist – sowohl die Erzählung als auch die Feier –, soll hier daran erinnert werden, wie Familie in letzter Zeit im Politischen in Erscheinung getreten ist.
Da war etwa der Verband der Familienunternehmer. Das ist eine jener Organisationen, die im Hintergrund agieren – ohne dass die Öffentlichkeit so genau Bescheid weiß, wofür sie sich einsetzt. Eine Lobbyorganisation also. Und dann ist ihr das passiert, was einer solchen nicht passieren sollte: Sie geriet in die Schlagzeilen. Schlimmer noch: in negative Schlagzeilen.
Der Verein hatte einen AfD-Wirtschaftspolitiker zu seinem Parlamentsabend eingeladen. Mehr noch als diese Einladung waren es die Aussagen der Vorsitzenden Marie-Christine Ostermann, die Wellen schlugen. So meinte diese, die „Brandmauer“ müsse weg, die AfD werde „ausgegrenzt“ und man solle über diese nicht ausschließlich in den Kategorien „gut und böse“ reden.
Da half dann auch die halbgare Versicherung, man wolle die AfD inhaltlich „stellen“, nichts mehr: Was dann folgte, machte die ganze Sache zu einem „nachhallenden Ereignis“, wie die Süddeutsche Zeitung schrieb.
Etliche prominente Unternehmen – wie etwa die Drogeriekette Rossmann, die Hausgeräte Firma Vorwerk und der Getränkehersteller Fritz-Kola – traten durchaus öffentlichkeitswirksam aus dem Verein aus.
Medial – und wohl auch intern – hagelte es scharfe Kritik. Sodass der Verein, um Schadensbegrenzung bemüht, einen Rückzieher machte, seinen Vorgang als Fehler bezeichnete und sich gegen die AfD positionierte.
Der große Aufruhr, den die Sache auslöste, kam natürlich von den historischen Assoziationen, die solches weckt. Deutsche Firmenchefs und Rechtsextremismus – keine gute Erinnerung. Aber jenseits dieser unmittelbaren Assoziation hatte die Sache noch etwas anderes sichtbar gemacht – das, was in der Bezeichnung „Familienunternehmen“ mitschwingt.
Auch wenn in dem Verband mittelständische Unternehmen ebenso wie Konzerne organisiert sind, so weckt „Familienunternehmen“ Assoziationen zu einem sehr spezifischen Wirtschaftsmodell. Zu einer wesentlich älteren ökonomischen Tradition. Zu einer, auf die man nach dem Kriege gern zurückgegriffen hat.
Familie steht für Glaubwürdigkeit
„Familienunternehmen“ kommt eine besondere Glaubwürdigkeit zu. Nicht nur in der deutschen Öffentlichkeit, die sich mit ihren großen Marken identifiziert. Auch weltweit hat die moralische Haltung, die diese garantieren sollen, die Aufnahme deutscher Produkte nach 1945 befördert.
Diese Glaubwürdigkeit, diese moralische Haltung beruht auf der „protestantischen Ethik“, die Max Weber dargelegt hat. Diese besteht in einer Gleichsetzung von Religion und Wirtschaft: Arbeit und Unternehmertum – mit Hingabe, Fleiß, Disziplin und Sparsamkeit ausgeübt – gelten als gottgefällige Pflichten. Die Erfüllung des Berufs bedeutet somit die Erfüllung des göttlichen Rufs. Und Erfolg wird da zum Zeichen der Erwählung.
Säkularisiert blieb davon die bürgerliche Berufsethik über, wo sich Religion und Moral im wirtschaftlichen Handeln realisieren. Thomas Mann hat der protestantischen Ethik in den „Buddenbrooks“ ein Denkmal als tragende Säule deutscher Patrizierfamilien gesetzt.
Ein Wirtschaftsethos, das bis heute nachhallt, wenn die Firmen erinnert werden: Eigentum verpflichtet! Und wenn diese sich beeilen, ihre moralischen Werte öffentlich zu bekräftigen. Zumindest aus Reputationsgründen.
ist Publizistin in Wien.
Trumps Family-Business
Familienökonomie hat heute ja wieder große Konjunktur. Aber der Kontrast zur wiederbelebten deutschen Familientradition könnte nicht größer sein. Denn heute macht ein Family-Busines ganz anderer Art Karriere. Ob in Gaza oder in der Ukraine – die Trumpisten verbinden Familie, Geschäft und Politik auf ihre Art: Geopolitik als privates Geschäftsmodell.
Während die Trumpisten Politik zum Family-Business degradieren, erinnern sich in Deutschland Familienunternehmer an ihre politische Verantwortung. Zumindest aus Reputationsgründen.
Wir leben in einer Welt, wo das Image einer Firma, also das Gerücht, die letzte zivilisierende Kraft zu sein scheint.
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