Morddrohungen in Facebook-Gruppen: Der Preis der Meinungsfreiheit
Das Kammergericht Berlin hat die Klage von Jürgen Resch von der Deutschen Umwelthilfe auf Löschung von zwei Facebook-Gruppen abgelehnt. Zu Recht.
D ie Deutsche Umwelthilfe (DUH) macht gute Arbeit. Oft treibt sie mit ihren Klagen die träge Politik vor sich her. Sie sorgt dafür, dass Umweltrecht nicht nur auf dem Papier steht, sondern auch eingehalten werden muss.
Dabei tritt sie manchen auf die Füße, insbesondere viele Autofahrer:innen hassen die DUH. Solche Leute identifizieren sich oft mehr mit den tricksenden und täuschenden Autoherstellern, als mit Umweltschützern, die sich für saubere Luft einsetzen.
So entstehen dann Facebook-Gruppen wie „Stoppt die Deutsche Umwelthilfe“, wo sich über 50.000 Menschen in ihrer Meinung bestärken, dass die DUH aus ideologischer Verbohrtheit die Wirtschaft schädige. Das ist zwar Unsinn, aber unzweifelhaft von der Meinungsfreiheit gedeckt.
Strafbar ist es aber, wenn Jürgen Resch, der DUH-Geschäftsführer, aufs Übelste beleidigt wird oder wenn Aufrufe zu seiner Ermordung gepostet werden. Resch hatte deshalb vor Berliner Gerichten geklagt, dass Facebook diese Gruppen löschen soll.
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Das wurde nun aber vom Berliner Kammergericht zu Recht abgelehnt. Zwar haftet Facebook als Host durchaus auch für seine Gruppen – aber nur wenn die Gruppe durch Name und Symbolik bereits selbst den Hass transportiert. So müsste eine Facebook-Gruppe mit dem Namen „Tötet Jürgen Resch“ natürlich gelöscht werden, doch die Gruppe hieß „Stoppt die Deutsche Umwelthilfe“. Auch müsste eine Gruppe gelöscht werden, in der ganz überwiegend strafbaren Äußerungen gepostet werden. Doch bei „Stoppt die Deutsche Umwelthilfe“ sind die Inhalte, so das Gericht, ganz überwiegend legal.
Dass das Berliner Urteil richtig ist, zeigt sich, wenn man die Akteure austauscht. Nehmen wir an, es gäbe eine Facebook-Gruppe „Stoppt die AfD“ mit 50.000 Mitgliedern und ab und zu würden dort Gewaltfantasien gegen Björn Höcke gepostet. Dann fänden man es auch nicht richtig, wenn ein Gericht auf Klage von Björn Höcke nun die ganze AfD-kritische Gruppe bei Facebook schließen würde.
Überwachung ist auch nicht die Lösung
Aber auch der (zu spät) nachgereichte zweite Antrag von Resch, Facebook solle die Gruppe „Stoppt die Deutsche Umwelthilfe“ künftig besser „überwachen“, ist problematisch. Das Ziel wäre, dass Facebook selbständig alle Inhalte in dieser Gruppe prüfen und bei Strafbarkeit löschen müsste – entweder durch Moderatoren oder durch technische Upload-Filter und Algorithmen.
Wer das gut findet, erinnere sich an den 20. März 2019 als bundesweit 200.000 junge Menschen unter dem Stichwort „Save the internet“ gegen die EU-Urheberrechtsreform demonstrierten, die angeblich Uploadfilter vorschrieb. Wer in Uploadfiltern die Lösung gesellschaftlicher Konflikte sieht, schafft den Rechtsextremen nur eine neue Einladung, sich der jungen Zivilgesellschaft als Bündnispartner anzudienen.
Denn Uploadfilter sind gefährlich, wenn sie nicht nur ganz spezifische Motive aussondern, sondern auch alles, was ähnlich aussieht oder irgendwie verboten ist. Da wird es zu Overblocking kommen oder jedenfalls werden das viele glauben und in grundsätzliche Opposition gehen.
Deshalb ist die aktuelle Lösung allemal demokratieverträglicher, dass sich die Betroffenen selbst (und nicht Facebook) um das Auffinden und die Meldung strafbarer Beleidigungen und Gewaltaufrufe kümmern. Natürlich ist es unzumutbar, dass sie das tatsächlich persönlich machen müssen. Da hat Jürgen Resch völlig recht. Aber dafür gibt es kommerziellle Agenturen und zivilgesellschaftliche Vereine, die die Provider und bei Bedarf auch die Polizei einschalten.
Je mehr der Hass sich ausbreitet, um so mehr werden solche Selbstverteidigungs-Initiativen nötig sein. Das führt zu Kosten, die bei Jürgen Resch vermutlich die Deutsche Umwelthilfe übernimmt. Und für freie Aktivist:innen muss es zivilgesellschaftlich gespeiste Fonds geben, die helfen können. Das ist alles nicht schön, aber das ist der Preis der Meinungsfreiheit.
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