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Wahlen in Europa, Afrika und AsienVon politischer Blockade bis hin zur Machtergreifung des Militärs

An diesem Sonntag finden weltweit mehrere Wahlen statt. Nur eine davon ist wirklich demokratisch. Eine Übersicht.

Wäh­le­r:in­nen in Myanmar vor einem Wahllokal: Wann die Ergebnisse bekanntgegeben werden, ist noch unklar Foto: Aung Shine Oo/AP/dpa

Kosovo: Vorgezogene Neuwahlen inmitten von politischer Krise

Im Kosovo finden am Sonntag vorgezogene Neuwahlen statt. Der Westbalkanstaat mit 1,6 Millionen Einwohnern – eines der ärmsten Länder Europas – befindet sich seit rund zehn Monaten in einer politischen Blockade: Die linksnationalistische Selbstbestimmungs-Partei (VV) von Ministerpräsident Albin Kurti hatte die Parlamentswahl im Februar gewonnen, jedoch die absolute Mehrheit verfehlt. Seitdem ist das Parlament in Pristina blockiert, Versuche einer Regierungsbildung scheiterten.

Beobachtern zufolge dürfte Kurtis Partei aus der Wahl am Sonntag erneut als stärkste Kraft hervorgehen – allerdings wieder ohne absolute Mehrheit. Der 50-jährige Regierungschef versucht, den serbischen Einfluss im Kosovo zurückzudrängen, was bei vielen Kosovo-Albanern auf Zustimmung stößt, zugleich aber die Spannungen mit Belgrad verschärft. Die frühere serbische Provinz Kosovo hatte sich 2008 und damit knapp ein Jahrzehnt nach dem Kosovokrieg für unabhängig erklärt. Serbien erkennt die Unabhängigkeit bis heute nicht an. (afp)

Myanmar: Junta will mit „Scheinwahl“ Macht legitimieren

Fast fünf Jahre nach dem Militärputsch in Myanmar wird erstmals wieder eine Parlamentswahl abgehalten. Das hatte die regierende Junta Ende Juli angekündigt und gleichzeitig den Ausnahmezustand in dem südostasiatischen Land für beendet erklärt. Die erste Phase findet am Sonntag statt, zwei weitere im Januar. Wann die Ergebnisse bekanntgegeben werden, ist noch unklar – voraussichtlich aber Ende Januar.

Internationale Beobachter und Menschenrechtsorganisationen bezeichneten die Wahl aber bereits im Vorfeld als Farce. Sie diene nur dazu, die Macht der Generäle zu legitimieren, teilte „Human Rights Watch“ mit. Gewählt wird größtenteils in Wahlbezirken, in denen die Junta die Gewalt hat. Schätzungen zufolge kontrollieren Widerstandsgruppen und Rebellen mittlerweile mehr als 50 Prozent des Landes.

Die Armee hatte am 1. Februar 2021 geputscht und die demokratisch gewählte De-facto-Regierungschefin Aung San Suu Kyi entmachtet. Die ursprünglich versprochenen Wahlen wurden unter dem Vorwand, die Gewalt im Land lasse diese nicht zu, zuvor immer wieder vertagt. Die Junta unterdrückt seit dem Putsch Widerstand mit Gewalt. International ist das Land fast völlig isoliert. (dpa)

Guinea: Erste Präsidentschaftswahl seit Militärputsch von 2021

Die Menschen in Guinea sind am Sonntag zur ersten Präsidentschaftswahl in dem westafrikanischen Land seit der Machtübernahme durch das Militär im Jahr 2021 aufgerufen. Beobachtern zufolge dürfte Junta-Führer General Mamadi Doumbouya die Wahl gewinnen. Guinea ist eines von zehn afrikanischen Ländern, in denen seit 2010 Soldaten die Macht übernommen haben. In einigen davon gewannen Militärs später Wahlen, nachdem die Rückkehr zur Demokratie zunächst verzögert wurde.

Seit dem Sturz von Präsident Alpha Condé vor vier Jahren ging General Doumbouya Kritikern zufolge hart gegen die Opposition und Andersdenkende vor. Ernsthafte Herausforderer, die ihm den Sieg für eine siebenjährige Amtszeit bei der Wahl am Sonntag streitig machen könnten, hat er damit nicht mehr.

Insgesamt treten neun Kandidaten an. Doumbouyas schärfster Konkurrent ist der kaum bekannte Yero Baldé von der Partei Demokratische Front von Guinea. Er war unter dem abgesetzten Präsidenten Condé Erziehungsminister und hat für den Fall seiner Wahl Reformen der Regierungsführung, Maßnahmen zur Korruptionsbekämpfung und Wirtschaftswachstum in Aussicht gestellt. Zwei Oppositionskandidaten, der frühere Ministerpräsident Lansana Kouyaté und der frühere Minister Ousmane Kaba, wurden aus technischen Gründen von der Wahl ausgeschlossen, die langjährigen Oppositionsführer Cellou Dalein Diallo und Sidya Touré gezwungen, ins Exil zu gehen.

Die Abstimmung wird im Rahmen einer neuen Verfassung abgehalten, mit der das Verbot für Militärführer, sich um ein politisches Amt zu bewerben, aufgehoben und die Amtszeit des Präsidenten von fünf auf sieben Jahre verlängert wurde. Diese Verfassung wurde bei einem Referendum im September mit großer Mehrheit gebilligt. Die Oppositionsparteien hatten zu einem Boykott der Volksabstimmung aufgerufen.

Aktivisten und Menschenrechtsgruppen sagen, dass in Guinea seit dem Staatsstreich nicht nur die Opposition geschwächt wurde, sondern auch führende Persönlichkeiten der Zivilgesellschaft zum Schweigen gebracht, Kritiker entführt und die Presse zensiert worden seien. Im vergangenen Jahr lösten die Behörden trotz weit verbreiteter Kritik mehr als 50 politische Parteien auf, um „das politische Parkett zu säubern“, wie sie das nannten. (ap)

Zentralafrikanische Republik: Wahl mit russischer Hilfe

In der Zentralafrikanischen Republik sind die Bürger zur Präsidentenwahl aufgerufen. In dem seit mehr als einem Jahrzehnt von Gewalt geprägten Land mit rund 5,5 Millionen Einwohnern wird mit einem Sieg von Amtsinhaber Faustin-Archange Touadéra im ersten Wahlgang gerechnet. Sollte kein Kandidat mehr als 50 Prozent der Stimmen erhalten, ist eine Stichwahl vorgesehen.

Neben der Präsidentschaftswahl werden an diesem Sonntag auch Parlamentswahlen sowie erstmals seit Jahrzehnten wieder Kommunalwahlen durchgeführt.

Die Wahlen finden vor dem Hintergrund eines seit etwa 2013 andauernden Bürgerkriegs statt, der den Staat an den Rand des Zerfalls brachte. Bewaffnete Gruppen kontrollierten zeitweise große Teile des Landes. Internationale Friedensmissionen, darunter die UN-Mission Minusca, sowie militärische Unterstützung aus Russland und Ruanda trugen in den vergangenen Jahren dazu bei, die Lage teilweise zu stabilisieren. Dennoch sind vor allem in Grenzregionen zum Sudan und Südsudan weiterhin Rebellen aktiv.

Touadéra ist seit 2016 im Amt und stützt sich bei der Sicherung seiner Macht in hohem Maße auf russische Militärberater und Söldner. Diese übernehmen unter anderem Aufgaben beim Schutz der Regierung und bei Einsätzen gegen bewaffnete Gruppen. Die Sicherheitslage hat sich dadurch verbessert, bleibt jedoch brüchig. Zugleich sind schwere Menschenrechtsverletzungen durch mit Russland verbundene Kräfte belegt, darunter außergerichtliche Tötungen, Misshandlungen und Vergewaltigungen von Zivilisten.

Touadéra kandidiert nach einem umstrittenen Verfassungsreferendum von 2023, das ihm weitere Amtszeiten ermöglicht. Mehrere Oppositionsparteien riefen zum Boykott der Wahl auf. Als wichtigste Herausforderer gelten die früheren Premierminister Anicet Georges Dologuélé und Henri-Marie Dondra, die erst kurz vor dem Wahltermin zugelassen wurden. (dpa)

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