Umstrittenes Gutachten zur Energiewende: Neue Hinweise auf Einflussnahme des Wirtschaftsministeriums
Greenpeace hat 28 Änderungen am Energiewende-Monitoring aufgedeckt. Laut Ministerium gehen sie auf die Wissenschaftler zurück. Doch es gibt Zweifel.
Der Verdacht auf Einflussnahme des Bundeswirtschaftsministeriums auf das wissenschaftliche Energiewende-Monitoring bekommt neue Nahrung. Das Haus von Katherina Reiche (CDU) hat Vorwürfe der Umweltorganisation Greenpeace zu Änderungen an dem Gutachten mit Hinweis auf einen Bericht der Bundesnetzagentur zurückgewiesen, der erst nach der Abgabe der ursprünglichen Fassung veröffentlicht wurde. Doch dieser Bericht wurde dem begutachtenden Energiewirtschaftlichen Institut an der Universität Köln (EWI) bereits vorab zugestellt, berichtet der Newsletter-Dienst Table.Briefings.
Der Hintergrund: Reiche hat im Frühsommer beim EWI das Gutachten in Auftrag gegeben. Diese Expertise soll Grundlage für weitere Entscheidungen sein. Kritiker:innen fürchten, dass die Ministerin das Monitoring als Grundlage für ein Abwürgen der Energiewende nutzt. Deshalb sind Hinweise auf eine Einflussnahme brisant.
Ende August hat das Ministerium einen Entwurf vom EWI bekommen, im September veröffentlichte Reiche die finale Fassung. Greenpeace hat nach einem Antrag im Rahmen des Informationsfreiheitsgesetzes Zugang zu dem Entwurf sowie dem E-Mail-Verkehr zwischen den Gutachtern und dem Ministerium bekommen. Ein Vergleich mit der veröffentlichten Fassung zeigte 28 Änderungen, die Greenpeace zufolge weit über rein redaktionelle Eingriffe hinausgehen.
Erst einen Tag nach dieser Veröffentlichung und entsprechenden Presseanfragen nahm das Ministerium dazu Stellung. Ein Sprecher teilte der taz und anderen Medien mit, das Ministerium habe keine Änderungen an dem Gutachten vorgenommen. „Unterschiede zwischen dem ursprünglichen Berichtsentwurf von Ende August gegenüber dem finalen Bericht gehen ausschließlich auf Änderungen der Gutachter selbst zurück“, hieß es. Als Grund wird dafür der am 3. September erschienene Bericht der Bundesnetzagentur zur Versorgungssicherheit angeführt.
Gutachter wollten nichts mehr ändern
Doch dieser Bericht hat Table.Briefings zufolge den Gutachtern schon vorher vorgelegen. Das Institut habe den Bericht am 6. August vorab bekommen. Das gehe aus dem E-Mail-Verkehr hervor, schreibt Table.Briefings. Die Änderungen könnten deshalb nicht mit dem Bericht der Bundesnetzagentur in Zusammenhang stehen. Dafür spräche auch, dass die im Gutachten verwendeten Zahlen in den Fassungen von Ende August und von September die gleichen seien. Dass die Abweichungen auf die Wissenschaftler und nicht auf das Ministerium zurückgehen, erscheint zweifelhaft. Denn die Gutachter haben laut Table.Briefings am 29. August explizit erklärt, keine Änderungen mehr vornehmen zu wollen. Das Ministerium habe dem EWI aber mitgeteilt, es werde das Institut informieren „ob und welche Anpassungen erforderlich werden“.
Das Bundeswirtschaftsministerium bleibt bei seiner Darstellung. „Wie bereits dargelegt, liegen alle Änderungen, die die Gutachter zwischen der Entwurfs- und der finalen Fassung des Berichts am Bericht vorgenommen haben, in der Verantwortung der Gutachter“, sagte eine Sprecherin der taz. Die Gutachter hätten Gelegenheit zum fachlichen Austausch mit der Bundesnetzagentur gehabt. Der habe auch einen vertraulichen Einblick in den Bericht zur Versorgungssicherheit umfasst, bestätigte sie. Das EWI ist für Anfragen erst wieder am 5. Januar erreichbar.
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