Reaktion auf US-Einreiseverbote: Der Gegenschlag lässt auf sich warten
Nach dem Einreiseverbot für die deutsche NGO Hate Aid kommt aus der Bundesregierung zwar Kritik an den USA. Direkte Gegenmaßnahmen bleiben aber aus.
Der französische Präsident brauchte nur einen halben Tag, um auf die Einreiseverbote der USA zu reagieren. „Frankreich verurteilt die Visabeschränkungsmaßnahmen der Vereinigten Staaten“, schrieb Emmanuel Macron noch an Heiligabend auf der Plattform X.
In Deutschland protestierten am gleichen Tag auch der Außenminister und die Justizministerin gegen den Schritt der US-Regierung. Der Bundeskanzler schweigt dagegen – auch nach den Feiertagen. Lediglich ein Regierungssprecher sagte am Montag auf Nachfrage in der Bundespressekonferenz: „Die Vorwürfe der US-Administration und die Einreisesperren unter anderem auch gegen zwei deutsche Staatsangehörige, weisen wir deutlich zurück.“
Am 23. Dezember hatte das US-Außenministerium Einreisesperren gegen fünf Europäer*innen verkündet, die großen Social-Media-Unternehmen das Geschäft erschweren. Betroffen sind unter anderen der ehemalige französische EU-Kommissar Thierry Breton, in seiner Amtszeit mit zuständig für den Digital Serivces Act (DSA) zur Regulierung von Plattform-Betreibern, sowie die Geschäftsführerinnen der deutschen Organisation Hate Aid, Anna-Lena von Hodenberg und Josephine Ballon.
Hate Aid berät Betroffene von Hasskommentaren im Internet auf mehreren Ebenen, unterstützt sie beispielsweise bei der Erstattung von Anzeigen und gewährt Prozesskostenhilfen. Außerdem lobbyiert die NGO politisch für wirksame Regeln, kritisiert etwa Verstöße der Unternehmen gegen den DSA und fordert die Verhängung spürbarer Bußgelder.
„Klares Signal“ gefordert
In einer ersten Reaktion auf die Einreiseverbote bezeichneten die beiden Geschäftsführerinnen diese in der vergangenen Woche als „Teil einer Einschüchterungstaktik gegen alle, die sich in Europa für die Umsetzung von geltenden Gesetzen auf sozialen Netzwerken einsetzten“. Von der Bundesregierung und der EU-Kommission forderten sie „ein klares Signal, dass das nicht hinnehmbar ist“.
Ansonsten traue sich in Zukunft niemand mehr, „Missstände bei US-Tech-Konzernen anzuprangern“. Europäische Gesetze seien dann „nicht mehr das Papier wert, auf dem sie geschrieben wurden“.
Am Montag sagte Geschäftsführerin Ballon der taz dann: „Wir waren sehr positiv überrascht, dass sowohl die Justizministerin als auch der Außenminister sehr zügig sogar öffentlich Stellung genommen haben. Das haben wir als starke Reaktion wahrgenommen.“ Das gelte auch für die Reaktionen von Macron und EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen.
Am meisten wünsche sie sich jetzt, „dass den Worten Taten folgen, vor allem seitens der EU-Kommission“. Dies könne „am besten in Form von Aufsichtsverfahren gegen Online-Plattformen geschehen, die z.B. durch ein Bußgeld zum Abschluss gebracht werden“. Gründe hierfür gebe es viele. Die Kommission habe schon etliche Verfahren gegen sehr große Plattformen angestrengt, aber bisher nur eins zum Abschluss gebracht.
Ob Regierung und Kommission ihren bisherigen Protestäußerungen noch etwas hinzufügen werden und ob auch konkrete Gegenmaßnahmen zu erwarten sind, ist allerdings offen. „Es handelt sich beim DSA um ein europäisches Instrument und deshalb ist ein gemeinsames Vorgehen der EU-Kommission und der europäischen Mitgliedsstaaten aus unserer Sicht jetzt zentral im Umgang damit“, sagte ein Sprecher des Außenministeriums am Montag lediglich.
Forderung nicht erfüllt
Das Auswärtige Amt hat bislang auch den Geschäftsträger der US-Botschaft nicht zu einem Gespräch einbestellt. Unterschiedliche Auffassungen würden erst mit den „europäischen Partnern“ und dann „mit den transatlantischen Partnern“ besprochen, sagte der Ministeriumssprecher hierzu.
Eine Einbestellung ist in diplomatischen Beziehungen ein deutliches Zeichen des Protests. Forderungen nach einem entsprechenden Schritt kamen zuletzt unter anderem von den Grünen. Parteichefin Franziska Brantner nannte die Einreiseverbote einen „direkten Angriff auf die Rechtsstaatlichkeit in Europa“. Der CDU-Abgeordnete Roderich Kiesewetter sprach sich ebenfalls für die Einbestellung aus. Ihm zufolge versuche die US-Regierung, „mit Einschüchterung in den demokratischen Diskurs einzugreifen“.
Das US-Außenministerium hatte die Einreisesperren als Maßnahmen gegen einen „globalen zensur-industriellen Komplex“ bezeichnet.
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