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Bundespolitische Initiative angekündigtHamburger Koalition nimmt Anlauf für ein AfD-Verbot

Rot-Grün in Hamburg will ein Verbot der AfD prüfen lassen, sobald gerichtlich entschieden ist, dass diese als rechtsextrem bezeichnet werden darf.

Lieber rechtzeitig prüfen, als später dumm dastehen: Demonstranten in Hamburg fordern, Verdachtsfälle zu checken Foto: Gregor Fischer/dpa

Die AfD zu verbieten oder zumindest von der Parteienfinanzierung auszuschließen – das ist das Ziel eines Antrages, über den die Hamburgische Bürgerschaft am 14. Januar abstimmen soll. Die rot-grüne Koalition im Stadtstaat schlägt dazu ein mehrstufiges Verfahren vor, an dessen Ende ein entsprechender Antrag des Bundestages, des Bundesrates oder der Bundesregierung stünde. Entscheiden müsste das Bundesverfassungsgericht.

„Die AfD stellt mit ihrer Programmatik, ihrem Auftreten und dem Handeln zentraler Funk­ti­ons­trä­ge­r:in­nen eine wachsende Gefahr für die freiheitlich-demokratische Grundordnung dar“, schreiben SPD und Grüne in einer gemeinsamen Presseerklärung. Seit Jahren kämen die Verfassungsschutzbehörden des Bundes und der Länder zu immer deutlicheren Bewertungen über die rechtsextreme Prägung der Partei.

Nachdem der Geheimdienst bereits die Parteigliederungen in Thüringen und Sachsen-Anhalt als „gesichert rechtsextrem“ eingestuft hatte, kam im Mai 2025 auch das Bundesamt für Verfassungsschutz zu dieser Einschätzung für die Gesamtpartei. Dagegen hat die AfD beim Verwaltungsgericht Köln ein Eilverfahren angestrengt. Das Bundesamt hat dem Gericht zugesagt, diese Einstufung auszusetzen, bis das Eilverfahren entschieden ist.

Auch die rot-grüne Koalition in Hamburg will abwarten, bis dieses Verfahren entschieden ist. Sollte die AfD scheitern und das Gericht die Einschätzung „gesichert rechtsextrem“ zulassen, würde sich Hamburg dafür einsetzen, eine Arbeitsgruppe des Bundes und der Länder zu gründen, die Belege für die mutmaßliche Verfassungswidrigkeit der AfD zusammentragen soll.

Der Verfassungsschutz warnt

Sollte diese Arbeitsgruppe in Zusammenarbeit mit den Sicherheitsbehörden und der Wissenschaft zu dem Ergebnis kommen, dass sich eine Verfassungswidrigkeit solide begründen lässt, soll ein Verbotsverfahren eingeleitet werden. Dieses könnte auf ein Verbot der gesamten Partei, einzelner Landesverbände oder auch nur auf den Ausschluss von der staatlichen Parteienfinanzierung zielen.

In seiner zurzeit ausgesetzten Bewertung urteilt das Bundesamt für Verfassungsschutz, der Verdacht, dass die Partei gegen die freiheitliche demokratische Grundordnung arbeite, habe sich bestätigt und in wesentlichen Teilen zur Gewissheit verdichtet.

„Das in der Partei vorherrschende ethnisch-abstammungsmäßige Volksverständnis ist nicht mit der freiheitlichen demokratischen Grundordnung vereinbar“, teilte die Behörde mit. Es ziele darauf ab, bestimmte Bevölkerungsgruppen von einer gleichberechtigten gesellschaftlichen Teilhabe auszuschließen. Äußerungen und Positionen der Partei und führender AfD-Vertreter verstießen gegen das Prinzip der Menschenwürde.

Hinnehmen musste die AfD bereits, dass sie vom Verfassungsschutz als Verdachtsfall gehandelt wird. Eine Klage dagegen hat das Verwaltungsgericht Köln 2022 abgewiesen. Die Berufung der AfD gegen dieses Urteil liegt beim Oberverwaltungsgericht Köln.

Wir müssen klug und umsichtig vorgehen, um der AfD keine weitere Möglichkeit zu geben, sich fälschlicherweise als Opfer zu stilisieren

Sina Imof, Grünen-Fraktionschefin

Zur Einstufung als Verdachtsfall hatte das Gericht angeführt, es gebe „ausreichende Anhaltspunkte für verfassungsfeindliche Bestrebungen innerhalb der Partei“. Dem sei die AfD nur mit pauschalen Behauptungen entgegengetreten. Das Gericht hatte dabei insbesondere auf den inzwischen aufgelösten „Flügel“ um Björn Höcke und die ebenfalls aufgelöste Junge Alternative abgehoben.

Verbot ersetzt nicht politische Auseinandersetzung.

„Wir dürfen nicht zulassen, dass demokratische Institutionen von denen missbraucht werden, die sie offen verachten, um unsere freiheitliche Demokratie zu schwächen und letztlich abzuschaffen“, sagte der Hamburger SPD-Fraktionsvorsitzende Dirk Kienscherf. Hamburg stehe in der Verantwortung, die freiheitlich demokratische Grundordnung mit allen rechtsstaatlichen Mitteln – bis hin zum Parteiverbot – zu schützen. Das ersetze aber nicht die politische Auseinandersetzung.

Sina Imhof, Fraktionschefin der Grünen, sagte, das Verbotsverfahren als schärfstes Instrument dürfe nur auf Basis einer lückenlosen, rechtssicheren und sorgfältigen Prüfung eingesetzt werden. „Wir müssen klug und umsichtig vorgehen, um der AfD keine weitere Möglichkeit zu geben, sich fälschlicherweise als Opfer zu stilisieren“, warnte Imhof.

AfD-Fraktionschef Dirk Nockemann attestierte Rot-Grün denn auch eine grenzenlose Angst vor der AfD. „Wer die Opposition verbieten will, tötet die Demokratie und ersetzt den politischen Wettbewerb durch Machtmissbrauch“, kommentierte Nockemann. Die AfD stehe fest auf dem Boden des Grundgesetzes, versicherte er. Das sähen immer mehr AfD wählende Bürger.

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