Kolumne In Fußballland: So ein Kreuz

Das Industriedenkmal von Leverkusen, das leuchtende Bayer-Kreuz, soll abgebaut werden. Fußballfans wehren sich dagegen - bei der Firma, die ihren Verein besitzt.

Schön, dass sich endlich wieder einmal die Gelegenheit bietet, einen meiner Lieblingsreime aufzusagen, den ich erstmals von Jürgen von Einem hörte, dem ehemaligen Sportbeauftragten der Bayer AG. Um eine Stadt am Rhein geht es und wie schwer es die Menschen dort haben: "Kannst du einen nicht verknusen, / schicke ihn nach Leverkusen. / Denn an diesem End der Welt, / ist er endlich kaltgestellt."

Woher diese Zeilen stammen, weiß ich bis heute nicht, aber bald werden sie noch zutreffender. Bisher prangt in fast 120 Metern Höhe das Bayer-Kreuz über der Stadt, doch 51 Jahre nachdem dieses Leuchtfeuer der Moderne errichtet wurde und 76 Jahre nachdem erstmals ein Bayer-Kreuz Leverkusen erhellte, soll es 2009 abgebaut werden. Die Kaltgestellten von Leverkusen werden, wenn dieses Monument aus 1.712 Vierzig-Watt-Birnen erlischt, auch noch im Dunkeln stehen. Für einen erklärten Freund der Industrieromantik wie mich, zudem Bewohner einer Leverkusen benachbarten Großstadt, ist es unvorstellbar, dass mir das Kreuz auf dem Heimweg nicht mehr als Orientierung dienen soll. Der Protest, der sich dagegen erhebt, streift wieder mal die Frage nach Authentizität, und Fußball spielt dabei gleich mehrfach eine Rolle. Denn die Petition "Das Kreuz muss bleiben", die bereits mehr als 20.000 Menschen unterschrieben haben, wird von den Ultras des Fußball-Bundesligisten Bayer Leverkusen organisiert. Also von den Anhängern eines Fußballklubs, der vielen immer noch als Inkarnation der Nicht-Echtheit gilt, weil er vom Bayer-Konzern opulent alimentiert wird.

Just von dem Konzern, der ihr Fußballvergnügen finanziert, wollen die Ultras den Erhalt des Kreuzes als Symbol der Heimat erkämpfen. Doch eine weitere Verknotung des Problems besteht darin, dass die treuesten Anhänger ihrem Klub eigentlich gram sein müssten, weil er indirekt an der Abschaffung des Bayer-Kreuzes beteiligt ist. Man könnte nämlich sagen, dass es, anstatt mitten im Werk zu stehen, demnächst über das Stadion gelegt wird. In den nächsten Jahren wird die BayArena aufgestockt, neu bedacht und in die neue Dachkonstruktion ein Bayer-Kreuz so integriert, dass man es aus dem Flugzeug sehen kann - oder bei Google Earth. Dort kann man übrigens auch sehen, dass das Autobahnkreuz Leverkusen, an der die BayArena liegt, die geografische Mitte von Leverkusen bildet. Womit sich aber die Frage stellt, ob nicht mehr Menschen auf den Autobahnen an der Stadt vorbeifahren, die zu den befahrensten der Republik zählen, und das Kreuz dort sehen als von der Luft aus oder am Computer.

Die kreuzbewahrenden Ultras ärgern sich über einen Konzern, der statt des bisherigen Kreuzes lieber ein Hochhaus illuminieren möchte, weil da allerhand Lichtzauber und damit vielfältigere Werbung möglich ist. Ihnen ist das ein weiterer Beleg für den Wandel der Bayer AG "von einem eng mit der Stadt verwurzelten Unternehmen mit großem sozialem Engagement hin zu einem globalisierten Allerweltskonzern mit ausschließlich profitorientierten Interessen", wie es auf ihrer Seite im Internet heißt. Das ist schön gesagt, und dergestalt könnte man die Schmähreime von oben noch erweitern:

"Und hast du einen richtig gern, / verschone ihn vorm Allerweltskonzern." Inzwischen gab es schon ein "Konzert für das Kreuz", und es wird sogar darüber nachgedacht, dem Konzern sogenannte Glühbirnenpatenschaften anzubieten, damit er sie nicht abschaltet. Das finde ich gut, und selbstverständlich werde ich mich demnächst in die Unterschriftenliste "Das Kreuz muss bleiben" eintragen - wie ich es auch in zwanzig Jahren tun würde, sollte eine Initiative dann für den Erhalt der traditionsreichen Filiale von McDonalds in der Gegentribüne der Leverkusener BayArena streiten.

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