Ausstieg rechts, sofort

Moerser Nazis wollten für ihren zusammengeschlagenen Kameraden Kevin Giuliani marschieren. Nachdem bekannt wurde, dass er aus der Szene aussteigen will, wurde die Demo abgesagt

AUS MOERSALEXANDER FLORIÉ

Zuletzt war Recklinghausen NRW-Schauplatz mehrerer Neonazi-Demonstrationen. In diesem Monat könnte Moers verstärkt ins Blickfeld der Rechten geraten. Für den 22. Januar ist ein bundesweiter Aufmarsch angemeldet, an dem auch der Hamburger Neonazi Christian Worch, einer der Vordenker der so genannten „Freien Kameradschaften“, teilnehmen wird. Außerdem hatten die Nazis geplant, sich heute zu einer Spontandemo zu treffen, die allerdings kurzfristig abgesagt wurde.

Grund für die Spontandemo war folgender Vorfall: Am Montag Abend hatten junge Linke bei einer Gegendemo zum 22. Januar den stadtbekannten Moerser Neonazi Kevin Giuliani Reizgas ins Gesicht gesprüht , was die Radikalen auf ihrer Internetseite „moite.de“ als „Überfall einer Bande Rotfaschisten auf einen örtlichen Kameraden“ bezeichnen. Der „Kamerad“ soll danach einen Nazi-Freund aus Hamburg angerufen haben. Alexander Hohensee meldete eine Kundgebung mit dem Titel“ Gegen Hetze und Terror von links“ an. Die Polizei erwartete Sympathisanten aus Herne, Oberhausen, Wuppertal und Hamburg – insgesamt rund 30 Leute. „Die Rechten selbst sprachen von 80“, so Norbert Henrichs, Leiter der Gefahrenabwehr der Kreispolizei.

Hinfällig: Denn mittlerweile ist bei den Rechten ein fast possenhafter Streit um die Reputation des Moerser Nazis Giuliani ausgebrochen. Auf dem Internetportal „Freier Widerstand“ wird Giuliani vorgeworfen, ein Spitzel des Verfasungsschutzes zu sein. Er habe Kontakt zum NRW-Innenministerium aufgenommen, um ins Aussteigerprogramm EXIT zu kommen. Dort soll er 1.000 Euro Starthilfe für einen Neuanfang erhalten haben. Zum „Beleg“ schieben die Schreiber noch angeblich bewusst zurückgenommene Gerichtsurteile gegen Kevin hinterher. Der weist alle Vorwürfe zurück. Das Geld habe er bekommen, allerdings nur für neue Möbel. Eine Absage des heutigen Aufmarsches war die Konsequenz.

„Da gehen wir eh nicht hin“, meinte noch am Mittwoch Hans-Jürgen Schneider, einer der Sprecher des „Moerser „Bündnisses für Toleranz und Zivilcourage“, in dem verschiedene Parteien, Kirchen und Institutionen organisiert sind. Schneider hatte 2003 den Protest gegen einen Nazi-Aufmarsch auch schon mit organisiert: „Wir konzentrieren uns auf den 22. Januar.“ Die Antifa Moers wollte den Rechten das Feld allerdings nicht so einfach überlassen und hatte für heute nach Moers mobilisiert: „Wir rufen alle Antifaschistinnen und Antifaschisten dazu auf den Neonazis einen gebührenden Empfang zu bereiten“, meinte die Sprecherin der Antifa, Nadine Schneider. Ob sie trotz der Absage des Aufmarsches auf die Straße gehen, ist unklar.

Moers war bereits im Juli 2003 Ort einer von Christian Worch organisierten Kundgebung gewesen. Damals waren 600 Polizisten aus ganz NRW am Moerser Bahnhof, um die gut 80 mit Bomberjacken und Stiefeln bekleideten Nazis von den 150 Gegendemonstranten zu trennen. „Damals waren wir mit der Strategie erfolgreich, die Nazis in den Seitenstraßen ins Leere laufen zu lassen“, bestätigt Günter Lange, Einsatzleiter der Polizei.

In jedem Fall sollen die Gruppen im Falle einer Demo auseinander gehalten werden, damit keine Gewalt entsteht und so mit einem Mal bundesweite Beachtung auf die Grafenstadt fällt. „Moers hat auf jeden Fall keine rechte Szene“, bemühte sich der Moerser Bürgermeister Norbert Ballhaus (SPD) auf der gemeinsamen Pressekonferenz mit dem Landrat des Kreises Wesel, Ansgar Müller (SPD), und der Kreispolizei zu unterstreichen. Eine These, die Norbert Henrichs als Leiter der Gefahrenabwehr teilt: „Da gibt es eine Gruppe mit vier Leuten aus Moers – bei 110.000 Einwohnern.“ Es sei bedauerlich, dass Demos stattfinden: „Das müssen Demokraten aber aushalten können“, meinte der Landrat des Kreises Wesel, Ansgar Müller. Der 22. Januar könnte nach Meinung der Behörden der brisantere Tag werden: „Da könnte es wohl zu einem Aufgebot kommen wie 2003“, meint Norbert Henrichs von der Gefahrenabwehr.