Thailands tödlicher Kampf gegen Drogen

Bangkok vermeldet Erfolg – trotz tausender Toter bei Razzien. Menschenrechtler vermuten extralegale Hinrichtungen

BANGKOK taz ■ „Die erste entscheidende Schlacht ist gewonnen – aber der Krieg geht weiter.“ Nach diesem Motto will Thailands Regierung heute den „Sieg über die Drogen“ verkünden. Der für seine Ambitionen bekannte Premier Thaksin Shinawatra hatte bereits verlautbaren lassen: „Wir können nun bekannt geben, dass illegale Drogen, die früher eine große Gefahr für unser Land waren, uns nicht länger etwas anhaben können.“ Doch der Kampf werde weitergehen, bis Thailand komplett drogenfrei sei, zitierte ihn gestern die Bangkok Post.

Die öffentliche Version liest sich zunächst wie eine Erfolgsbilanz: Laut Innenministerium sind mehr als 82.000 Dörfer frei von Drogen, über 327.000 Süchtige haben einen Entzug hinter sich. Insgesamt wurden synthetische Drogen im Wert von rund 3,7 Milliarden Baht (etwa 76 Millionen Euro) sichergestellt.

Dennoch hat der vor allem wegen der hohen Todeszahlen heftig kritisierte „Drogenkrieg“ einen bitteren Beigeschmack. Die am 1. Februar begonnene und vornehmlich gegen Methamphetamin-Tabletten gerichtete Kampagne sollte Thailand innerhalb von drei Monaten drogenfrei machen. Die Mitte April veröffentlichte und bis heute nicht aktualisierte Bilanz der Razzien: Rund 2.300 Tote, mehrere zehntausend Verhaftungen. Kritik wies die Regierung mit dem Argument zurück, die meisten Opfer gingen auf das Konto konkurrierender Rauschgiftbanden. Lediglich 30 bis 50 davon seien von Polizisten erschossen worden – aus Notwehr.

Das harte Durchgreifen kam in weiten Teilen der Bevölkerung an. Bei Menschenrechtlern jedoch schrillten die Alarmglocken: Nicht nur, weil auch Unschuldige ums Leben kamen, wie ein neunjähriger Junge, der zufällig in eine Schießerei geriet. Beobachter sind überzeugt, dass es sich in den meisten Fällen um extralegale Hinrichtungen durch die Polizei gehandelt habe.

Das Ganze sei eine Lizenz zum Töten gewesen, kommentierte Somchai Homlaor von der Nichtregierungsorganisation Forum Asia. Und auch amnesty international hatte die thailändische Regierung erst kürzlich wieder aufgefordert, die Todesfälle von einer unabhängigen Kommission untersuchen zu lassen.

Das dürfte schwierig werden: Oft steckten in den Leichen keine Kugeln mehr, dafür wurden neben ihnen Beutel mit Methamphetaminen gefunden. Zudem soll es Anordnungen an die lokale Polizei gegeben haben, die Körper nicht zur Autopsie bringen zu lassen, hatte die renommierte Pathologin Porntip Rojanasunan erklärt.

Der Erfolg der Drogenkampagne, die die Regierung Thaksin unter dem Motto „Krieg gegen die dunklen Einflüsse“ fortsetzte, ist zweifelhaft. Handel und Konsum auf den Straßen mögen kurzfristig zurückgegangen sein. Doch dafür dürfe man nicht die Rechtsstaatlichkeit opfern, moniert Somchai Homlaor. Zudem sei bisher kein „dicker Fisch“ unter den Dealern verhaftet worden. Mit Fischerbooten werden die Pillen neuerdings von Burma in den Süden Thailands gebracht. Andere Netzwerke schmuggeln vermehrt Heroin aus dem Goldenen Dreieck, Südostasiens traditionellem Opiumanbaugebiet. NICOLA GLASS