„Volkswagen tut nichts, was dem Unternehmen in China schadet“

Gut ist, was nützt: Cui Jians Engagement durch VW spricht ein gesellschaftliches Spektrum an, von dem der Konzern profitiert, sagt Eventmanager Udo Hoffmann

taz: Herr Hoffmann, Sie haben einst das erste internationale Jazz Festival in Peking begründet und jetzt Udo Lindenberg mit dem chinesischen Rockstar Cui Jian zusammengebracht. Wie schwer ist es, moderne westliche Musik nach China zu bringen?

Udo Hoffmann: Vor allem Rockmusik ist noch ein Fremdkörper in dieser Gesellschaft. Sie hat die Tradition, als ungesund zu gelten. Das hängt mit den Bildern von Protest und Aufruhr zusammen, die hier einigen alten Herren, die nach wie vor viel zu sagen haben, aus den Sechziger- und Siebzigerjahren in Europa und den Vereinigten Staaten in Erinnerung bleiben.

Verkörpert Rock in China keine eigenständige Protestkultur?

Die junge Generation erkennt diesen Charakter der Rockmusik kaum noch. Die Gesellschaft hat sich hier in den letzten zehn Jahren so schnell verändert, dass die Haltung von Leuten wie Cui Jian zur Vergangenheit gehört.

Warum wird dann Rockmusik immer noch von den chinesischen Medien und Behörden geächtet?

Das verblüfft mich auch. Es gibt in China heute Discos mit 5.000 Leuten, in denen über Stunden Techno-Musik läuft. Da kocht viel mehr hoch als bei der Rockmusik, die heute eigentlich schon klassische Musik ist.

Vor zehn Jahren haben Sie Cui Jians erstes Konzert in Deutschland vermittelt. Anschließend drohten Ihnen die chinesischen Behörden mit Ausweisung, Sie wurden als Kulturspion verdächtigt. Sind diese Zeiten vorbei?

Damals war Musik ein Politikum. Der Staat wollte genau bestimmen, wer für China im Ausland auftritt. Wenn wir umgekehrt westliche Musiker hierher einluden, mussten wir Boxen bei der Volksarmee ausleihen, aus denen dann die Lautsprecher ausgebaut waren. Inzwischen haben sich alle Gesellschaftsbereiche geöffnet, die Kultur allerdings langsamer als die Wirtschaft. Eine Konzertreihe ist sehr viel schwerer als eine Wirtschaftsmesse zu organisieren. Hier gibt es auch heute noch knallharte Zensur, allerdings weniger aufgrund von Gesetzen als vielmehr aufgrund von Gewohnheit. Cui Jian ist das beste Beispiel dafür: Generell gibt es für ihn kein Auftrittsverbot mehr, doch die Ängste und Vorbehalte ihm gegenüber bestehen bei vielen Behörden und Veranstaltern fort.

War es dann für Volkswagen mutig, sich mit ihm zu assoziieren?

Mutig ist der falsche Begriff. Volkswagen tut nichts, was das Unternehmen in China in Gefahr bringt. Volkswagen hat nur erkannt, dass Cui Jian für niemand mehr gefährlich ist, zugleich aber ein wichtiges Spektrum der gesellschaftlichen Individualisierung anspricht, von der der Konzern insgesamt profitiert.

China bildet gerade zahlreiche neue Lebensformen aus. Die Menschen suchen nach Stil – mit Blick auf den Westen. Insofern spielt Rockmusik eine Rolle, weil im Westen eine ganze Generation mit ihr aufgewachsen ist. Dabei bringt es auch uns China einen Schritt näher, wenn wir erfahren, dass es chinesischsprachige Rockmusik überhaupt gibt.

INTERVIEW: GEORG BLUME