Fähre mit Zebra

Liebenswertes, verhalten cooles Kinderbuch: Unni Lindells Geschichte vom „Geheimagenten Jens Bonn“

Auch wenn man darob eines positiven Vorurteils geziehen werden kann: Es überrascht nicht, dass Unni Lindell, Autorin des Kinderbuchs Geheimagent Jens Bonn, aus Norwegen stammt. Denn es ist nun mal Fakt, dass skandinavische Kinderbücher – neben niederländischen – derzeit zu den innovativsten zählen, weil sie unbekümmert Verhaltensnormen zur Seite schieben, ohne groß drüber zu reden.

Und so beschließt im vorliegenden Taschenbuch der ca. zehnjährige Jens Bonn – onomatopoetische Parallelen mit real existierenden Filmhelden sind zufällig –, nicht mehr zur Schule zu gehen, weil ihm X-Y-Gleichungen einfach zu abstrakt sind. Stattdessen spürt er im Gehege des Zoos die fette Beute zweier Bankräuber auf und entdeckt ein trauriges Zebra, das dringend befreit gehört. Sein Lager schlägt er derweil auf dem elterlichen Dachboden auf – natürlich ohne den Eltern Bescheid zu geben: „Bei einem Geheimagenten geht die Pflicht eben vor“, sagt sich Jens. Und die Last der Verantwortung drückt gewaltig: In den Kopenhagener Zoo zu seinem Bruder gehört das Zebra, das hat Jens knallhart recherchiert. Und dass ihm die alte Primula Hansen dabei hilft, findet sie selbstverständlich. Auch wenn das bedeutet, dass sie auf der Oslo-Kopenhagen-Fähre zu dritt in Primulas Kabine nächtigen müssen. Und es soll nicht verschwiegen werden, dass es auf der Fähre noch ein kleines, gefährliches Intermezzo mit den Bankräubern gibt, die aber letztlich per Beiboot entsorgt werden.

Die alte Primula Hansen ist angesichts all dieser Aufregungen – auch dies jenseits aller Alte-Leute-Klischees – weder verängstigt noch übermäßig besorgt. Nein, sie chauffiert sogar – dabei hat sie gar keinen Führerschein – das Auto für Jens und Zebra, als es nötig ist.

Leichtfüßig und ein ganz klein bisschen liebenswert-cool formuliert Lindell, die 1995 den renommierten norwegischen Kritikerpreis bekam, all diese Episoden, assistiert von Bildern Volker Kriegels. Und die Frage, ob das alles so möglich wäre in dieser Welt, kommt einfach nicht vor in dieser Geschichte. Das muss sie auch nicht, denn Jens Bonn tut, was aus seiner Perspektive richtig ist und setzt so einen kleinen Partikel einer zu Kälte zerfallenden Welt wieder zusammen.

Petra Schellen

Unni Lindell: Geheimagent Jens Bonn. Hamburg: Carlsen-Verlag 2003, 96 S., 4,90 Euro