Aufklärung mit Pop

Der Sänger und Schauspieler Mohamed Mounir ist die Symbolfigur für die liberale Öffnung Ägyptens. Nun geht er erstmals auch auf Deutschlandtournee. Ein Portrait

von DANIEL BAX

Im vorigen Jahr überraschte Mohamed Mounir Freund und Feind gleichermaßen mit einem Album, das von ungewohnt religiösen Motiven durchdrungen war. Sein Song „Maddad“ – umgangssprachlich für: „Gib mir Kraft“ – gemahnte seine Hörer daran, dass Gott jedes Blutvergießen verbiete, und war Mounirs persönliche Reaktion auf den 11. September. Formal wie ein traditioneller Sufichant aufgebaut, knüpfte Mounir damit auch musikalisch bewusst an eine Tradition des Islams an, die sich weder orthodox-dogmatisch noch gewalttätig-terroristisch zeigt. Sondern eben mystisch und tolerant.

Mit seiner Hinwendung zu religiösen Themen erregte der bislang als säkular bekannte Sänger in seiner Heimat einige Verwunderung. Und begab sich damit auf heißes Terrain. Der Videoclip zu „Maddad“ wurde von den meisten arabischen TV-Satellitensendern abgelehnt, „weil sie mit Geldern aus Saudi-Arabien und den Golfstaaten finanziert werden“, wie Mohamed Mounir vermutet. Gerade in den konservativen Golfstaaten dürfte Mounirs implizite Kritik an überkommenen religiösen Autoritäten nicht gut ankommen. „Die Leute werden bevormundet durch die Art, wie bei uns in den Moscheen und im Fernsehen die Religion vermittelt wird“, findet der 49-jährige Star der ägyptischen Musik. „Sie sollten ermächtigt werden, ihren eigenen Verstand zu gebrauchen.“

Mit solchen Statements macht man sich in Ägypten nicht nur Freunde. Mohamed Mounir ist es gewohnt anzuecken. Das hat ihn zum Heroen ägyptischer Intellektueller gemacht. In seinem Kairoer Appartement empfängt er den Gast aus Deutschland, bequem in roter Hose und Polohemd gekleidet, in seinem kleinen Arbeitszimmer. Ein Keyboard steht da, die Wände sind mit Erinnerungsfotos dekoriert, der Aschenbecher ist randvoll. Auch für sein legeres Outfit ist Mounir in Ägypten bekannt. Als er 1979 erstmals die Bühne betrat, brach er mit der Tradition. Statt mit Anzug und Krawatte vor großem Orchester aufzutreten, kam er im offenen Hemd, und auch sein zappeliger Auftrittsstil entsprach eher dem eines westlichen Rockstars.

Damals war Mounir gerade aus seinem Geburtsort Assuan, tief im Süden des Landes, an die Universität nach Kairo gekommen, wo er Fotografie und Film studierte und seinen Militärdienst absolvierte. In seiner Musik verschmolz er die nubischen Rhythmen und Melodien seiner Heimatregion mit Motiven aus Reggae, Funk und arabischem Schlager. Seine Songs sind oft Liebeslieder oder vertonte Poeme, nicht selten mit politischen Anspielungen gespickt. Er war der Erste, der in seinen Liedern das Leid der Palästinenser thematisierte. Schon in den frühen Achtzigerjahren avancierte Mounir, dessen Kassettenverkauf in die Millionen geht, zur Symbolfigur für eine liberale Öffnung des Landes.

Erfolgreich ist Mohamed Mounir auch als Schauspieler. Mit Youssef Chahine, dem ägyptischen Regisseur, der trotz seiner 73 Jahre noch immer als Enfant terrible des ägyptischen Kinos gilt, hat Mounir mehrfach zusammengearbeitet. In dem Historienspektakel „Schicksal“ etwa verkörperte er einen Barden im mittelalterlichen Spanien, der von religiösen Fanatikern ermordet wird. Die poppigen Schlager, die Mounir in solchen Filmen singt, werden regelmäßig zu Hits. Nicht nur in Ägypten, sondern weit darüber hinaus ist Mohamed Mounir bekannt, und sein Filmruhm bestärkt seine Popularität als Musiker. Seine Konzerte führen ihn durch die gesamte arabische Welt, von Lybien bis Syrien.

Auch in Europa tritt Mohamed Mounir gelegentlich auf, allerdings meist in kleinerem Rahmen. Besonders in Deutschland ist Mounir häufig bei Freunden zu Besuch. Wenn er dann so inkognito durch deutsche Straßen streift, kann es schon mal passieren, dass arabische Fans ihren Star plötzlich in der U-Bahn erkennen.

Im Sommer wird Mounir nun erstmals auf Deutschlandtour gehen – gemeinsam mit dem österreichischen Jodelrocker Hubert von Goisern. Bei einem Konzert in Assiut, das vom Goethe-Institut initiiert worden war, standen die beiden im vorigen Jahr bereits gemeinsam auf der Bühne. Ein TV-Team des ORF hat das Ereignis festgehalten, und Mohamed Mounir legt stolz ein Video mit ihrem Bericht ein: Tausende von Studenten drängten sich da auf dem Uniareal, um den ägyptischen Star aus der Nähe zu sehen. Ganz so viele Menschen zieht Hubert von Goisern üblicherweise nicht an. Aber es gibt schließlich nichts, das sich nicht ändern ließe. (Termine siehe Kasten)