Gegen „teures Leben“

Burkina Faso: Mit Parolen wie 1968 in Paris organisieren Gewerkschaften Proteste gegen die Teuerung

BERLIN taz ■ Nana Thibault ist ein ungewöhnlicher Held für Burkina Faso, das laut UN-Statistiken zweitärmste Land der Welt. Der arbeitslose Präsident der Association Thomas Sankara, benannt nach dem ermordetem Revolutionsführer aus den 80er-Jahren, machte am Dienstag letzter Woche Schlagzeilen, als er in einem Schnellverfahren zu drei Jahren Haft wegen „Anstiftung zur Gewalt“ verurteilt wurde. Er hatte zu Großdemonstrationen gegen hohe Lebensmittelpreise aufgerufen, in deren Verlauf am 20. und 21. Februar in mehreren Städten Burkina Fasos Jugendliche Gebäude in Brand steckten und die Polizei angriffen. Am vergangenen Samstag gingen erneut Hunderttausende landesweit auf die Straße, für den 8. April rufen Burkinas Gewerkschaften zum Generalstreik auf.

Burkina Faso lebt im Rhythmus der Proteste gegen das „vie chère“, das teure Leben. Tausende friedlicher Demonstranten unter Transparenten mit Parolen wie aus Paris 1968 – „Nieder mit dem zuschauenden Volk“ oder „Teures Leben, du willst uns ans Fleisch“ – legten am Samstag die Hauptstadt Ouagadougou lahm. „Runter mit Preisen und Steuern, rauf mit den Löhnen“, lautet die zentrale Forderung der „Nationalen Koalition zum Kampf gegen teures Leben, Korruption, Betrug und Straffreiheit und für die Freiheit“ aus Gewerkschaften, Verbraucherschutzverbänden und zivilgesellschaftlichen Organisationen, das die Regierung von Präsident Blaise Compaoré erzittern lässt. Am Mittwoch musste in der Hauptstadt ein Markt geschlossen werden, weil sich Händler und Polizisten prügelten.

Um 67 Prozent sind die Lebensmittelpreise in Burkina Faso allein im Januar gestiegen, stellte die Regierung Anfang Februar fest und machte dafür nicht den Weltmarkt verantwortlich, sondern eigene Spekulanten. Seit dem 10. März gelten staatlich verfügte Preissenkungen für Importwaren wie Milch, Reis und Salz. Schon Ende Februar wurden die Importzölle für Nahrungsmittel für drei Monate ausgesetzt. Das soll den Staat 9 Millionen Euro kosten.

Niemand in Burkina Faso oder anderen armen Ländern Afrikas glaubt, dass die Regierung langfristig etwas an den hohen Lebensmittelpreisen ändern kann. Sie wollen, dass der Staat dafür andere Dinge billiger macht: Zu den Forderungen der Protestkoalition Burkina Fasos gehören die Abschaffung der Gebühren in Schulen und Gesundheitszentren sowie höhere Erzeugerpreise für Baumwollbauern.

Damit kann aus Unmut über teure Lebensmittel Protest gegen die Regierung insgesamt werden. Vorbild für Burkina Faso ist das östliche Nachbarland Niger. Dort zwang eine ganz ähnliche Protestkoalition vor drei Jahren die Regierung per Generalstreik zur Rücknahme einer Mehrwertsteuererhöhung. Und auch in Senegal und Kamerun haben dieses Jahr die Menschen demonstriert – gegen Preissteigerungen, aber auch gegen die Regierung. Für den 30. März sind in Senegal die nächsten Proteste angesetzt.

DOMINIC JOHNSON