Faustschläge vorm Hörsaal: Polizeieinsatz in der Kritik

Bei einem Vortrag von Innenminister Uwe Schünemann (CDU) an der Universität Göttingen ging die Polizei mit harter Gewalt gegen linke Demonstranten vor.

Blockade oder Hörsaal-Erstürmung? Göttinger Demonstranten vor dem Polizeieinsatz. Bild: Benjamin Laufer

GÖTTINGEN taz | Ein Vortrag von Niedersachsens Innenminister Uwe Schünemann (CDU) in der Universität Göttingen führte am Dienstag zu gewalttätigen Auseinandersetzungen zwischen linken Demonstranten und der Polizei. Linke AktivistInnen blockierten den Zugang zu dem Hörsaal, in dem Schünemann und Göttingens Polizeipräsident Robert Kruse sprachen. Die Polizei räumte den Eingangsbereich, wobei die Demonstrierenden geschlagen, getreten, gewürgt und mit dem Kopf gegen die Wand geschleudert wurden. Ein jugendlicher Aktivist verlor nach einem Faustschlag ins Gesicht das Bewusstsein, ein anderer erlitt eine Gehirnerschütterung. Zwei AktivistInnen mussten im Krankenhaus behandelt werden. Nach Angaben der Polizei wurden sechs Polizeibeamte verletzt.

In einer Pressemitteilung begründete die Polizei ihr Vorgehen damit, die Demonstrierenden hätten versucht, sich "gewaltsam Zutritt zum Veranstaltungsraum" zu schaffen. Die taz kann nicht bestätigen, dass es einen solchen Versuch gegeben hat. Auch andere Augenzeugen haben einen solchen Versuch nicht beobachten können.

Während die Demonstranten vor dem Hörsaal standen, hatte der Vortrag im Inneren längst begonnen. Vor 270 Zuhörern referierte der Innenminister über innere Sicherheit in Niedersachsen. Polizeipräsident Kruse ergänzte die Ausführungen für den Bereich Göttingen. Einige AktivistInnen in konservativem Schick saßen auch im Publikum und störten Schünemann durch übertriebenen Jubel und lautes Klatschen. Drei Demonstranten mit migrantischem Hintergrund wurden vom Sicherheitsdienst hinausgeworfen. "Schiebt mich doch ab!" rief einer dabei.

Der Polizeieinsatz in der Universität steht nun in der Kritik. "Dass friedlich demonstrierende Studierende in ihrer Universität zusammengeschlagen werden, ist ein nicht haltbarer Zustand", sagte eine Sprecherin der Grünen Hochschulgruppe (GHG). "Die Universitätsleitung und die Universitätsverwaltung müssen sich fragen lassen, warum sie diese massiven Polizeieinsätze gegen ihre Studierenden unwidersprochen zugelassen haben", sagte Linken-Landtagsabgeordneter Patrick Humke. "Wir sind schockiert, dass die Universitätsleitung derartige Einsätze gegen die eigenen Studierenden offensichtlich billigt", findet auch Asta-Vorsitzender Kay Bents.

Leitende Verwaltungsmitarbeiter hatten das Geschehen beobachtet. Die Universität verweist in einer Stellungnahme darauf, dass die Polizei die Verantwortung für den Einsatz trage. Sie sei "nicht erfreut darüber, dass Veranstaltungen in ihren Räumen unter dem Schutz der Polizei stattfinden müssen". Ausdrücklich wird bedauert, dass Menschen verletzt wurden.

Die Proteste gegen den Innenminister waren nach dem Vortrag noch nicht vorbei. Vor dem Hörsaalgebäude wurde ein Polizeifahrzeug, in dem Schünemann abtransportiert werden sollte, von einigen AktivistInnen bedrängt. Ein Stein flog. In einer spontanen Sitzblockade versuchten drei Männer, Schünemanns Abfahrt vom Campus zu blockieren.

Zu den Protesten, an denen insgesamt bis zu 500 Menschen teilnahmen, hatten Göttinger Antifa-Gruppen aufgerufen. Sie kritisierten Schünemann für seine Flüchtlingspolitik, das Verharmlosen neonazistischer Gewalt und sein Vorgehen gegen die linke Szene.

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