Umstrittene Meeresschützer

MEERESSCHUTZ Zwei Schiffe der Umweltschutzorganisation „Sea Shepherd“ liegen bis Mitte Juni im Industriehafen. Sie sollen hier für ihre nächsten Einsätze fit gemacht werden

„Wenn jemand einen Hund auf der Straße schlägt, würde man auch hingehen und die Person beiseite schubsen“

Sven Mathiessen, Direktor von Sea Shepherd Deutschland

VON JÖRDIS FRÜCHTENICHT

Ungewöhnlich viele Menschen stehen an Tor 3 im Industriehafen, viele von ihnen tragen an ihren Jacken und Taschen einen Totenkopf mit gekreuzter Harpune und Enterhaken: Das Logo der Umweltschutzorganisation „Sea Shepherd Conservation Society“. Die macht Zwischenhalt in Bremen, genauer gesagt zwei ihrer Schiffe. Während die „Bob Barker“ bereits seit vergangenem Montag im Industriehafen liegt, erreichte die „Sam Simon“ Bremen am Freitagmorgen. Beide waren zuletzt in der Antarktis im Einsatz, um dort gegen illegalen Fischfang vorzugehen.

Insgesamt gehören sieben Schiffe zur Flotte der als militant bezeichneten, weltweiten Non-Profit-Organisation. Sea Shepherd wurde 1977 von Paul Watson gegründet, nachdem er Greenpeace verlassen hatte. Denn anders als Greenpeace, wo sich AktivistInnen in vielen Bereichen für den Umweltschutz einsetzen, hat sich Sea Shepherd ausschließlich dem Meeresschutz verschrieben, insbesondere dem Kampf gegen Walfang und Robbenjagd.

Bei der gerade abgeschlossenen Kampagne haben die AktivistInnen Beweise gegen mutmaßliche Wildererschiffe gesammelt. Eins davon, die „Thunder“, ist von der „Bob Barker“ laut Sea Shepherd 110 Tage lang verfolgt worden. Der von Interpol gesuchte Trawler sank, die Umweltschützer retteten die Besatzung. Während der „Thunder“-Kapitän angibt, sein Schiff sei durch einen Frachter beschädigt worden, glaubt Sea Shepherd, es sei absichtlich versenkt worden, um Beweise zu vernichten. „Alle Luken waren geöffnet und zusätzlich befestigt, um das Sinken zu beschleunigen“, sagt Sven Mathiessen, leitender Direktor von Sea Shepherd Deutschland.

Nun werden die beiden Schiffe in Bremen auf ihre nächsten Einsätze vorbereitet, „dafür sind sechs Wochen veranschlagt“, sagt Mathiessen. Kleinere Reparaturarbeiten sollen erledigt, die Maschinen der Schiffe komplett überholt werden. Außerdem, erzählt Matthiesen, seien noch 72 Kilometer Netze an Bord der „Sam Simon“. Die habe die „Thunder“ in der Antarktis zurückgelassen. Die Netze sollen in den nächsten Tagen von Bord geschafft werden.

Laut einer kanadischen Studie von 2006 werden bei der Ausbeutung der Meere alle derzeit genutzten Bestände an Speisefischarten und Meeresfrüchten bis zum Jahr 2048 so zusammenbrechen, dass sie sich nicht mehr erholen können – es sei denn, es wird schnell gegengesteuert. „Es gibt zwar Fangquoten und Regularien, aber auf hoher See achtet niemand darauf“, sagt Mathiessen.

Sea Shepherd dokumentiert die Verstöße und will den illegalen Fischfang durch ihre Anwesenheit und durch teilweise nicht unumstrittene Aktionen erschweren. Denn die Organisation ist nicht immer so friedlich wie bei ihrer letzten Aktion. So werfen AktivistInnen auch schon mal mit Buttersäure gefüllte Flaschen, eine Art Stinkbombe, auf Schiffe der japanischen Walfangflotte, um das Arbeiten an Deck unmöglich zu machen. Außerdem versuchen sie, Schiffsschrauben mithilfe von mit Metallteilen gespickten Tauen zu blockieren. Sogar gerammt haben sie schon Wilderer- oder Walfangschiffe, um die Winde, die die Fischernetze einholt, abzuschlagen. „Wenn jemand einen Hund auf der Straße schlägt, würde man auch hingehen und die Person beiseite schubsen“, verteidigt Mathiessen die Aktionen. Außerdem achte man darauf, bei den Aktionen niemanden zu verletzen.

Kritik einstecken musste die Organisation überdies, weil sie eines ihrer Boote – das Ende März ebenfalls Halt in Bremen gemacht hat – ausgerechnet auf den Namen „Brigitte Bardot“ getauft hatte: Die französische Schauspielerin und Tierschützerin wurde mehrfach wegen Anstiftung zum Rassenhass verurteilt und ist mit einem Mitglied der rechtspopulistischen Partei „Front National“ verheiratet. Dennoch benannte Sea Shepherd 2011 einen Trimaran nach ihr, der mit Geld der „Brigitte Bardot Foundation“ gekauft wurde. Sea Shepherd Deutschland distanzierte sich 2012 „unmissverständlich von jeglichen rassistischen und rechtspopulistischen Äußerungen der Person Brigitte Bardot“, die weltweite Organisation hat das allerdings nicht getan. „Sea Shepherd ist eine Bewegung, die in den einzelnen Ländern autark agiert“, erklärt Mathiessen. Deswegen sei es auch nicht zu einer Namensänderung gekommen.

Gleichwohl wollen viele BremerInnen die „Bob Barker“ besichtigen – die „Sam Simon“ darf erst nächstes Wochenende betreten werden. Neben den beiden Beibooten, die bei den Sea-Shepherd-Kampagnen häufig zum Einsatz kommen, dürfen die BesucherInnen die Brücke und unter Deck auch die Rettungsinseln der „Thunder“ begutachten. „Wir haben fünf, sechs Stunden Volldampf gegeben“, meint Mathiessen am Ende des Tages, „insgesamt müssen es mehrere Hundert Besucher gewesen sein.“ An den kommenden Wochenenden sollen die Schiffe wieder für Besichtigungen geöffnet werden.