Bankenanalyst über Solarförderung: „Der Konkurrenzkampf ist brutal“

Der Analyst Matthias Fawer glaubt, dass bald kaum noch Solarzellen in Europa produziert werden. Er sieht trotzdem eine Zukunft für die Branche.

Die Branche bleibt hart. Monteure bauen in Freiberg in einem Solarpark eines Solarenergie-Unternehmens sogenannte Trecker auf. Bild: dapd

taz: Herr Fawer, haben der Rückzug von First Solar aus Deutschland und die Insolvenz des einstigen deutschen Solar-Champions Q-Cells Sie überrascht?

Matthias Fawer: Überhaupt nicht. Momentan ist der Konkurrenzkampf auf dem Solarmarkt brutal.

Was haben die Unternehmen falsch gemacht?

Jahrgang 1963, ist Analyst für Nachhaltigkeit und Energie beim Schweizer Bankhaus Sarasin. Er beobachtet und bewertet Technologien und Unternehmen für die jährliche Solarstudie seiner Bank. Zuvor hatte der Biotechnologe Ökolabels entwickelt.

Die ganze Branche wurde überrannt von dem enormen Kapazitätsausbau chinesischer Unternehmen. Dazu kommt der Druck der Politik, die ständig die Einspeisevergütungen senkt. Diesen Teufelskreis nach unten haben viele Unternehmen zu spät erkannt und ihre Kosten nicht gedrückt.

Haben die Europäer denn keine Qualitätsvorteile?

Darauf haben die Unternehmen zu lange gesetzt und wurden nun eines Besseren belehrt. Mittlerweile sind die chinesischen Topmodule ebenbürtig.

Woran liegt das?

Solarmodule sind einfach keine Hightechprodukte, sondern relativ simpel zu produzieren. Das Wissen steckt in den Produktionslinien. Die kommen von deutschen oder schweizerischen Unternehmen, die auch künftig gute Geschäfte machen werden. Aber wenn deren Maschinen in China stehen, wird dort ebenso gut produziert. Solarmodule sind Massenware.

Welche Strategie sollten die Unternehmen dem entgegensetzen?

Ein Beispiel könnte Solarworld sein: Dieses deutsche Unternehmen hat schon früh Wafer, Zellen und Module selbst hergestellt. Es wandte sich mit seinen Modulen früh an Endkunden und hat mit Fernsehwerbung eine Marke aufgebaut.

Der Häuslebauer nimmt also einen höheren Preis für mehr Qualität in Kauf?

Richtig, genau dort können sie eine Premiummarke aufbauen. Bei großen Solarparks, auf die First Solar und Q-Cells lange setzten, spielt dagegen jeder Cent eine Rolle. Da haben die Chinesen unschlagbare Kostenvorteile.

Trotzdem hat auch Solarworld 2011 Verlust gemacht.

Das stimmt. Allerdings hat die Solarbranche international mörderische Konditionen. Suntech, der weltgrößte Solarhersteller aus China, hat im vergangenen Jahr eine Milliarde Dollar Verlust geschrieben. Die haben allerdings staatliche Banken hinter sich, die den Geldhahn nicht zudrehen. Momentan kommen alle unter Druck.

Wollen die Chinesen staatlich konzertiert deutsche Hersteller vom Markt drängen?

Die chinesische Regierung will die Kredite für die Solarbranche verringern und nicht jede Firma durchfüttern. Sie hat ganz klar gesagt, dass das Geld jetzt in den Aufbau einer eigenen solaren Stromproduktion fließen soll, weil man da gewaltig hinterherhinkt. Trotzdem haben die erfolgreichen chinesischen Unternehmen dank der staatlichen Banken einen längeren Atem. Deutsche und europäische Banken wollen den Unternehmen hierzulande dagegen nicht über die Durststrecke helfen. Das halte ich für falsch, weil viele Solarunternehmen in ein, zwei Jahren wieder Gewinne einfahren können. Falls sie überleben.

Aber sicher nicht alle.

Nein, auch die reine Zellproduktion wird Massenware. Da haben wir keine Chance. Das geht nach Asien, wie wir es in anderen Branchen wie der Halbleiterindustrie schon früher gesehen haben.

Die Europäer müssten also ihre Produktion verlagern?

Nicht unbedingt. Dass die Produktion der Module immer billiger wird, macht sie wieder attraktiver für Europa, weil die Kosten für den Transport einen immer größeren Anteil am Preis ausmachen. Die reinen Zellen kann man in Asien herstellen. Die sind relativ klein und einfach zu transportieren. Die Module selbst, also komplette Solaranlagen für die Dächer, sind viel größer. Da werden viele Zellen in Reihe geschaltet, die ganze Elektronik kommt noch dazu. Diese Endfertigung könnte in Europa passieren. Das haben die Chinesen bereits erkannt: Der Solarbauer LDK hat deshalb die deutsche Sunways übernommen.

Wie müssen sich deutsche und europäische Unternehmen also positionieren?

Eine große strategische Chance sind komplette solare Energiesysteme. Wer sich heute in Deutschland eine Anlage aufs Dach baut, bekommt für 20 Prozent des erzeugten Stromes keine Förderung und muss versuchen, ihn selbst zu verbrauchen. Dazu kommt, dass Solarstrom künftig das Netz stabil halten muss, mal ins Netz eingespeist und mal zwischenspeichert wird. Es geht also um Energiemanagement, um komplexe Gesamtsysteme und deren Steuerung. Da können die Europäer Gehirnschmalz reingeben und wieder Vorreiter werden. Dann bleibt auch ein Großteil der Wertschöpfung hier.

Hat Deutschland die weltweite Solarindustrie durch seine Förderung aufgebaut?

Da kann ich nur ein Loblied singen. Wir wären global nicht da, wo wir heute sind, ohne das deutsche Fördersystem. Da können auch wir Schweizer uns nur bedanken.

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