50 Jahre Satelliten-TV über den Atlantik: Yves Montand und die US-Flagge

1962 funkte „Telstar 1“ erstmals Fernsehbilder live zwischen den USA und Europa hin und her. Aber schon nach einem Jahr wurde der Satellit Opfer des Kalten Krieges.

13 Tage nach dem Start von Telstar 1: John F. Kennedy live in Bayern. Bild: dpa

BERLIN dpa | „Telstar 1“ sah aus wie ein übergroßer weißer Wasserball, der mit Antennen gespickt um die Erde eierte. Vor 50 Jahren, am 10. Juli 1962, wurde der erste Telekommunikatiossatellt ins All geschossen. Er übertrug erstmals Fernsehbilder live zwischen Amerika und Europa. Bereits 1957 machten die Russen mit dem Start des Sputnik-Satelliten den Anfang, die Folge: der Sputnikschock. Die USA waren unter Zugzwang.

Telstar 1 war 77 Kilo schwer und mit 3.600 Solarzellen ausgestattet. Er sollte in rund 8.000 Kilometern Höhe das Telefonieren zwischen neuer und alter Welt einfacher machen und Alternativen zu den zunehmend überlasteten Überseekabeln bieten.

Um das zu leisten, musste der Satellit Fernsehfunksignale auffangen, verstärken und zum jeweils anderen Kontinent senden. Zuvor waren die TV-Signale zu schwach, um die weite Strecke über den Atlantik zu schaffen. Es reichte kaum das US-amerikanische Festland von Küste zu Küste zu überbrücken, erläutert Harald Wenzel, Mediensoziologe an der Freien Universität Berlin.

Über die raffinierten technischen Komponenten des Telstar-Experiments, ein Gemeinschaftsprojekt des US-amerikanischen Telekommunikationsunternehmens AT&T und der Nasa, gibt es unzählige Abhandlungen, aber die Menschen vor den Fernsehern interessierten vor allem die bewegten Livebilder.

Neues Kommunikationszeitalter

Aus den USA war bei den ersten Tests eine wehende US-Flagge zu sehen. Die erste Empfangsstation in Frankreich revanchierte sich mit „Paris bei Nacht“ und „La Chansonnette“, gesungen von Yves Montand. Das Ereignis wurde in Kneipen und Wohnzimmern wie ein Fest gefeiert. US-Präsident John F. Kennedy, der das neue Medium Fernsehen zu nutzen wusste, sprach von der „Vision eines neuen Zeitalters weltweiter Kommunikation“.

In Westdeutschland gab es 1962 nur ein Fernsehprogramm, sechs Stunden am Tag. Erst ein Drittel aller Haushalte hatte ein Gerät. Es war normal, Nachbarn und Freunde einzuladen. Während der Tagesschau gehörte es sich nicht, andere Leute anzurufen. „Der Fernseher war zu dieser Zeit so etwas wie ein archaisches Lagerfeuer, das alle zusammengebracht hat“, so Wenzel. „Die Echtzeiterfahrung mussten die Zuschauer aber erst langsam lernen.“

Es hatte zwar schon Livebilder von der Hochzeit der Queen 1953 gegeben - rund ein Jahr nach dem Start des deutschen TV-Programms. Aber zeitgleich Bilder und Nachrichten aus Übersee, das glich einem kleinen Wunder. In den rund 15 Minuten, die Telstar pro Erdumlauf von beiden Kontinenten aus zu erreichen war, übertrugen die USA bald eine Rede Kennedys. Europa schickte eine Sendung mit Bildern aus den angeschlossenen Eurovisionsländern. Deutschland, das um einen „unpolitischen Beitrag“ gebeten worden war, filmte einen Hochofen-Abstich in Duisburg-Rheinhausen.

Opfer der Atombombenversuche

Bereits ab 1963 übernahmen stärkere Satelliten in höheren Umlaufbahnen übernahmen nach und nach die AUfgaben von Telstar 1. Der mehr als 30 Millionen US-Dollar teure Kommunikationspionier am Himmel zählt heute zu den „technischen Opfern“ des Kalten Kriegs.

Die Atombombenversuche der USA in der Atmosphäre hatten die Strahlung in seiner Umlaufbahn erhöht - und die empfindlichen Transistoren nach und nach zerstört. Seit November 1962 schweigt - aber als Weltraumschrott wird er erst in schätzungsweise 200 Jahren verglühen.

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