Bauakademie

„Keine bloße Kopie“. „So viel Schinkel wie möglich“. Wie denn jetzt? In Berlins Mitte sind Ideen gefragt

Von Sophie Jung

Das DDR-Außenministerium und der Palast der Republik legten noch eine Paradeplatz-große Weite in die Berliner Mitte, da erdachten sich 1995 die Architekten Friedrich Tuczek und Gunnar Tausch einen gigantischen Obstkuchen an dieser Stelle. Die Zeit hatte damals in einem Wettbewerb zu Ideen einer Neugestaltung der historischen Mitte von Berlin ausgerufen. Mit dem lustigen Stück Blechkuchen zeichneten die beiden auf einer Kollage die Formen der seit 1962 abgetragenen Bauakademie nach.

Die Bauakademie, ein Spätwerk von Karl Friedrich Schinkel, 1836 fertiggestellt, ist die erste Architekturhochschule Berlins. Und sie steht ganz am Anfang einer bis heute fortgesetzten Rekonstruktionsdebatte für das wiedervereinte Berlin.

Seit 20 Jahren ist das DDR-Außenministerium weg und die Bebauung des Platzes ungewiss. Lediglich eine Attrappe des historischen Schinkel-Baus suggeriert seitdem, was dort wieder stehen könnte. Die so lange nach Fertigstellung rufende Unfertigkeit des Schinkelplatzes mag Grund dafür sein, warum unter Berlinern so gut wie keine Kritik zu vernehmen war, als im Oktober 2016 bekannt wurde, dass der Bund 62 Millionen Euro für die Rekonstruktion der Bauakademie bereitstellen wird.

Die aktuellen Pläne sind: jetzt Auslobung eines Ideenwettbewerbs, im April 2018 Auslobung eines Architekturwettbewerbs, 2019 Auswahl des Entwurfs, 2021 Baubeginn, 2023 Eröffnung eines neuen Hauses mit der bislang schwierigen Bezeichnung „Nationale Bauakademie“. Selbst harte Architekturideologen, zwischen denen sich in der Rekonstruktionsdebatte sonst tiefe Gräben ziehen, sind sich bei der Bauakademie einig. Nur in Nuancen unterscheiden sich die Lager: Stadtbildsentimentale wünschen den originalgetreuen Wiederaufbau, Progressive eine kritische Rekonstruktion. Die Bundesstiftung Baukultur organisierte in diesem Frühjahr ein Dialogverfahren, in dem sich zahlreiche Kenner zu Wort meldeten, unter anderem der Bund Deutscher Architekten, das Architekturmuseum der TU Berlin oder eine freie Initiative um Kurator Oliver Elser. Und alle wollten die Bauakademie! Dass der Schinkel-Bau so einhellig verehrt wird, hat schon etwas Unheimliches.

„So viel Schinkel wie möglich“ ist schließlich auch das Motto des Programmwettbewerbs, den das Bundesamt für Raumwesen am Montag auslobte. Der Wettbewerb soll ein altbekanntes Problem in der Rekonstruktionsdebatte lösen: Was soll sich einmal abspielen hinter den kritisch oder unkritisch rekonstruierten Fassaden? Die Auslobung stellt klar: Die zukünftige Bauakademie wird ein Forum für Architektur und Städtebau. Das kann gut werden. Bislang fehlt Berlin mit seinen vielen verstreuten Architektursammlungen und -galerien eine gemeinsame, öffentlichkeitswirksame Plattform.

„Schinkels rekonstruierte Akademie darf keine bloße Kopie des Originals sein“, heißt es in der Auslobung, „sondern muss eine Denk- und Kreativfabrik sein.“ Das klingt so interessant wie vage. In der Jury, die im nächsten Frühjahr tagt, sitzen jedoch vielversprechende Köpfe, unter anderem Giovanna Borasi vom renommierten Canadian Centre of Architecture oder Bernd Scherer vom HKW.

Vielleicht kann sich das Preisgericht auf ein progressives Format für die Bauakademie einigen. Es bildet schließlich auch die Grundlage für ein Gebäude, das 2023 einmal vis-à-vis des Schlosses stehen soll. Hoffentlich wird seine noch unbekannte Architektur zwischen Gegenwart und der wechselvollen Vergangenheit vermitteln können, schon allein um einen Kontrast zum geschichtsplättenden Schloss von Franco Stella zu bilden.