Der Griff der Parteien nach ARD & ZDF: Wir wollen das Fernsehen zurück!

Die Parteien sollen sich aus den öffentlich-rechtlichen Rundfunk-Anstalten heraushalten. Denn Politiker entlassen Journalisten, von denen sie einst interviewt wurden.

Sie dürfen nicht durchkommen! Bild: zdf, montage taz

Am Nachmittag des Donnerstags winkt der ZDF-Verwaltungsrat eine neue Chefredaktion für das Zweite Deutsche Fernsehen durch. Das Gremium ist von der Union dominiert. Nach dem planmäßigen Abschuss des langjährigen Chefredakteurs Nikolaus Brender sind nun stabile Mehrheiten garantiert. Das ZDF ist schon genug beschädigt, jetzt soll Ruhe im Mainzer Karton einkehren.

Der Rundfunkfreiheit erweist dieses Hau-Ruck-Verfahren einen erneuten Bärendienst. Das liegt nicht am wahrscheinlichen Nachfolger Brenders als Chefredakteur: Der bisherige ZDF-Hauptstadtstudio-Chef Peter Frey und dessen Nachfolgerin Bettina Schausten sind bewährte Journalisten. Und mit Schausten übernimmt endlich eine Frau einen der Top-Jobs im ZDF. Das lässt sich aber nur arg begrenzt als gute Nachricht verkaufen, denn die neue ZDF-Chefredaktion wird sich mit dem Makel herumschlagen müssen, eine von Roland Kochs Gnaden zu sein.

Auch der ZDF-Fernsehrat ist ausgebremst. Dort sitzen die Vertreter der Gesellschaft, der Gebührenzahler, der ZuschauerInnen, von uns allen. Der Rat wollte mehrheitlich den Vertrag von Nikolaus Brender als ZDF-Chefredakteur verlängern. Nun darf er noch ein bisschen hinterherstänkern, nach ausgewogenem Parteienproporz, versteht sich. Denn der öffentlich-rechtliche Rundfunk soll wieder zur Tagesordnung zurückkehren, so wünschen es die Mächtigen.

Doch das darf nicht passieren. Denn nicht nur beim ZDF haben Exekutive und PolitikerInnen die Macht an sich gerissen und treffen Personalentscheidungen über JournalistInnen, denen sie danach im Interview begegnen. Auch bei vielen ARD-Anstalten sitzen amtierende Minister oder Staatssekretäre in den Gremien.

Nirgendwo ist die Konzentration der Herrschenden so dicht wie beim ZDF. Doch was hat der bayerische Innenminister Joachim Herrmann (CSU) im Rundfunkrat des Bayerischen Rundfunks oder sein hessischer Amtskollege Volker Bouffier (CDU) beim Hessischen Rundfunk (HR) verloren? Beim Südwestrundfunk sitzen die stellvertretenden Ministerpräsidenten von Rheinland-Pfalz und Baden-Württemberg gleich beide im SWR-Verwaltungsrat.

Und damit gar nichts schiefgeht, passt noch ein Staatssekretär im Rundfunkrat auf. Das ist das Gegenteil von der im Grundgesetz festgeschriebenen Staatsferne des Rundfunks - und dass andere große ARD-Anstalten wie NDR und WDR seit wenigen Jahren ohne Regierungsvertreter in ihren Gremien auskommen, nur ein schwacher Trost.

Gerade der Hessische Rundfunk ist zudem ein Musterbeispiel an vorauseilendem Gehorsam. Der ehemalige ZDF-Chefredakteur Klaus Bresser nannte die Entlassung seines Nachfolgers zu Recht "organisierte Verfassungskriminalität" durch den hessischen Ministerpräsidenten - doch der Rauswurf kam im Roland-Koch-Sender HR fast gar nicht vor.

Die "Hessenschau" habe auf eine "tägliche Wasserstandsmeldung" zum Thema Brender verzichtet, bestätigt ein Sendersprecher. Und der Aufruf von 35 prominenten Staatsrechtlern, die sich hinter Brender stellten, sei Teil einer Kampagne gewesen, die der HR nicht habe bedienen wollen. Zu keiner Zeit habe es sich um Restriktionen gehandelt, heißt es treu beim HR, der Intendant habe lediglich eine Anweisung zu "ausgewogener Berichterstattung" gegeben.

Doch nicht nur die Vertreter der Exekutive in den Aufsichts- und Kontrollgremien des öffentlich-rechtlichem Rundfunks - übrigens auch im Hörfunkrat des immer gern vergessenen Deutschlandradios - sind das Problem. Denn die Minister und Staatssekretäre treffen hier noch auf jede Menge ParteikollegInnen, die von den Parlamenten in die Gremien entsandt werden. Natürlich sind auch politische Parteien Vertreter der Öffentlichkeit - doch müssen es gleich noch einmal zwölf Plätze sein wie beim ZDF-Fernsehrat?

Was muss nun passieren? Erstens: Die Vertreter der Exekutive müssen vollständig aus den Gremien des öffentlich-rechtlichen Rundfunks verschwinden. Die Chancen, dies über ein Verfahren beim Bundesverfassungsgericht in Karlsruhe zu erreichen, stehen gut. Zweitens muss die Zahl der offiziellen Parteien-Vertreter in den Gremien sinken.

Drittens müssen die Vertreter der gesellschaftlichen Gruppen auf den Prüfstand: Sie bilden die heutige Gesellschaft schlicht nicht mehr ab - und sortieren sich ebenfalls nach parteipolitischer Couleur. Dieses Problem, sagt der Medien- und Verfassungsjurist Dieter Dörr, einer der Mitunterzeichner des Staatsrechtler-Aufrufs pro Brender, lasse sich "nur bekämpfen mit einem Appell an diese Verbände, ihre Rolle ernst zu nehmen." Denn "sie sitzen dort als Vertreter der Gesellschaft, nicht der Parteien". Also müssen sie ersetzt werden durch neue gesellschaftliche Vertreter, die dann wirklich diejenigen repräsentieren, denen der öffentlich-rechtliche Rundfunk gehört: Die GebührenzahlerInnen, die ZuschauerInnen - uns.

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