Hartz IV schafft Arbeit

NEUE REKORDE Berliner Gericht nimmt die 100.000. Klage gegen Hartz-IV-Bescheid entgegen. In Thüringen beschäftigt Deutschlands eifrigster Arbeitslosenanwalt die Behörden

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BERLIN taz/rtr | Die deutschen Gerichte werden immer häufiger mit Klagen von Hartz-IV-Beziehern beschäftigt. Beim bundesweit größten Sozialgericht in Berlin wurde am Freitag die Schwelle von 100.000 Verfahren überschritten. Seit Inkrafttreten der Hartz-Gesetze 2005 nimmt die Zahl der Prozesse stetig zu.

Das Berliner Sozialgericht sprach von „einer immer dramatischer wachsenden Klagewelle“. In den ersten fünf Monaten dieses Jahres habe das Gericht im Vergleich zum Vorjahr 35 Prozent mehr Hartz-IV-Klagen und Eilverfahren verzeichnet. Aufgrund der zunehmenden Anforderungen mussten an dem Berliner Sozialgericht zahlreiche neue Stellen geschaffen werden. Die Zahl der Richter sei in den vergangenen fünf Jahren auf etwa 120 verdoppelt worden, sagte Sprecher Marcus Howe der taz. „Hartz IV ist ein Arbeitsbeschaffungsprogramm für Juristen.“ Howe rechnet damit, dass die Zahl der Klagen im Zuge der geplanten Sparmaßnahmen im Sozialbereich weiter ansteigt.

Besonders eifrig vertritt ein Anwalt in Thüringen die Interessen von Arbeitslosen. Im Jobcenter Mühlhausen musste die Abteilung für die Bearbeitung von Widersprüchen von 4 auf 21 Mitarbeiter aufgestockt werden. Fast jeder 10. Bedürftige aus der Region hat im Jahr 2009 geklagt, weil er sich falsch behandelt fühlte – ein bundesweiter Rekord.

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