Kommentar schärfere Einwanderungsgesetze: Gesetze helfen nicht gegen Zwangsheirat

Mit ihrem Kabinettsbeschluss tut die Union nur scheinbar etwas gegen Parallelgesellschaften, für unterdrückte Frauen. Stattdessen bedient sie das Klischee vom rückständigen Muslim.

Die Bundesregierung steht in der Integrationspolitik unter Druck. Nur so lässt sich erklären, dass Union und FDP mit viel populistischer Begleitmusik ein Paket von Gesetzesänderungen verabschieden, das vor allem eines ist: symbolische Politik.

leitet die Inlandsredaktion der taz.

Im Zentrum steht die Bekämpfung von Zwangsheiraten. Zwar weiß man auch nach jahrelangen aufgeregten Debatten noch immer wenig über das wirkliche Ausmaß dieser Menschenrechtsverletzung. Dennoch wird die Union in dieser Frage gern aktiv. So will sie zeigen: Wir tun etwas gegen Parallelgesellschaften, für die unterdrückte muslimische Frau! Das kostet nicht viel, bedient das gern genutzte Bild von den rückständigen Muslimen und lenkt wunderbar ab von anderen Versäumnissen.

Doch viel bringen werden die Gesetzesänderungen nicht. Die Koalition will Zwangsheirat als eigenständigen Straftatbestand definieren, der mit bis zu fünf Jahren Haft geahndet werden kann. Diese Strafe aber kann bereits heute für eine Zwangsehe verhängt werden.

Positiv ist allein, dass die Union ihre jahrelange Blockade gegen ein längeres Rückkehrrecht von zwangsverheirateten Frauen endlich fallen lässt. Frauen, die in Deutschland gelebt haben und gegen ihren Willen im Ausland festgehalten werden, sollen künftig nach Deutschland zurückkommen können. Diesen Fortschritt aber konterkariert die Koalition durch eine gravierende Verschlechterung an anderer Stelle: Aus dem Ausland nachgezogene EhepartnerInnen müssen künftig wieder drei statt bislang zwei Jahre verheiratet sein, um ein eigenständiges Aufenthaltsrecht zu bekommen.

Für Frauen, die nach Deutschland zwangsverheiratet werden, heißt das: ein Jahr länger in einer Ehe, die bestenfalls ungewollt, schlimmstenfalls massiv gewalttätig ist. Eine Härtefallregelung, die das verhindern soll, hat sich als nicht praxistauglich erwiesen.

Das Gesetzespaket kann also bestenfalls als Nullsummenspiel bezeichnet werden. Was - neben dem längeren Rückkehrrecht - wirklich helfen könnte, ist eine sensible, zielgruppengerechte Präventions- und Unterstützungsarbeit, da sind sich die ExpertInnen einig. Die aber ist langwierig und kostet, denn sie muss das Vertrauen der Betroffenen gewinnen. Genau das aber wird durch schrille Integrationsdebatten, wie sie die Union derzeit wieder führt, erschwert.

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Jahrgang 1966, Politikwissenschaftlerin und Journalistin. Seit 1998 bei der taz - in der Berlin-Redaktion, im Inland, in der Chefredaktion, jetzt als innenpolitische Korrespondentin. Inhaltliche Schwerpunkte: Union und Kanzleramt, Rechtspopulismus und die AfD, Islamismus, Terrorismus und Innere Sicherheit, Migration und Flüchtlingspolitik.

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