Der Mutmacher im Kühlraum

Über Nacht ist Lassana Bathily zu einem gefragten Gesprächspartner geworden. Fernseh- und Radiosender überhäufen den 24-jährigen Lagerarbeiter mit Interviewanfragen. Selbst der französische Präsident Hollande hat ihn angerufen, Israels Premier Netanjahu dankte ihm. Das verdankt der schüchtern wirkende Mann einer mutigen Tat: Als der islamistische Terrorrist Amedy Coulibaly am Freitagvormittag schwer bewaffnet den jüdischen Supermarkt Hyper Cacher an der Porte de Vincennes in Paris stürmte, versteckte Bathily mehrere Kunden in der Kühlkammer im Keller und rettete ihnen dadurch womöglich das Leben. Vier Juden wurden bei der Geiselnahme ermordet.

Bathily kam als 16-Jähriger im Jahr 2006 illegal aus Mali nach Frankreich, um seinen Vater wiederzutreffen. Die Mutter blieb zurück. Die erste Zeit verbrachte er in einer Flüchtlingsunterkunft. Von einer Sozialstiftung für Migranten betreut, wohnt Bathily mittlerweile in einem Männerwohnheim. Seit 2011 besitzt er eine offizielle Aufenthaltsgenehmigung. Über seinen Antrag auf die französische Staatsbürgerschaft haben die Behörden bislang noch nicht entschieden.

Seit knapp vier Jahren arbeitet Bathily in dem koscheren Supermarkt. Den Job bekam der praktizierende Muslim ebenfalls über die Sozialstiftung. Die Arbeitsstelle sei für ihn „wie eine zweite Familie“ geworden, lobt er seinen jüdischen Arbeitgeber. „Nie hat man mir gegenüber auch nur eine Bemerkung wegen meiner Religion gemacht“, sagte Bathily einem französischen Fernsehsender.

Über seine Rettungstat berichtete der junge Mann: „Ich habe die Tür zum Kühlraum geöffnet, und mehrere Menschen kamen mit mir mit.“ Dann habe er das Licht und die Kühlung abgeschaltet. „Ich sagte ihnen, sich zu beruhigen und leise zu sein.“

Vielen Franzosen erscheint Bathily wie ein Lichtblick in dunkler Zeit. Dass er mit seinem geistesgegenwärtigen Verhalten jüdische Mitmenschen vor dem Zugriff eines antisemitischen Killers geschützt hat, hält er nicht für etwas Außergewöhnliches. „Es geht nicht um Juden, Christen oder Muslime“, sagte Bathily. „Wir sind Brüder.“ Einfach ein Mensch. Ein großartiger.

PASCAL BEUCKER