Grenzkontrollen der EU: Niemand darf entkommen

Die etwa 100 Millionen Menschen, die jedes Jahr aus Drittstaaten in die EU einreisen, sollen lückenlos erfasst werden. Das Projekt kostet 2 Milliarden Euro.

Illegale Einwanderer aus Syrien sind Teil der „Migrationskrise“. Bild: dapd

BERLIN taz | „Smart“ sollen die europäischen Grenzen werden, intelligent: Mit einer 2 Milliarden Euro teuren technologischen Offensive will die EU in den nächsten Jahren ihre Außengrenzen aufrüsten. Kern des sogenannten Smart Border Package ist die lückenlose Erfassung sämtlicher Ein- und Ausreisen von Drittstaatlern in die EU.

„Die Kommission wird binnen Monaten Vorschläge für ’intelligente Grenzen‘ vorlegen“, sagt Ben Hayes von der britischen Organisation Statewatch. Für die Grünen-nahe Heinrich-Böll-Stiftung hat er die Grenzüberwachungsinitiativen der EU analysiert. Am Donnerstag stellte er seine Studie in Berlin vor.

Rund 100 Millionen Menschen reisen jedes Jahr in die EU ein. Bisher müssen sie ihre biometrischen Daten abgeben, wenn sie ein Visum beantragen, Angehörige von Staaten, die von der Visapflicht befreit sind, werden nicht biometrisch erfasst. Das soll anders werden. „Die EU plant die größte Fingerabdruckdatei der Welt“, sagt die grüne EU-Abgeordnete Ska Keller. Die Abfertigung an den Grenzen solle effektiver werden, „vor allem aber wird sie unmenschlicher“.

Diskriminierungsfrei jedenfalls soll es dabei nicht zugehen: Geschäftsreisende können sich einmalig vorab überprüfen lassen und würden dann auf eine „weiße Liste“ gesetzt. Sie könnten dann in die EU einreisen, ohne sich biometrisch erfassen lassen zu müssen. Etwa 5 Prozent der Einreisenden könnte davon profitieren, schätzt die Studie – der Rest muss sich anstellen.

Die vernetzten Grenzposten sollen künftig jede Bewegung an den Außengrenzen dokumentieren. Offiziell sollen so „overstayes“ identifiziert werden – also Personen, die länger in der EU bleiben, als erlaubt. „Aber das ist sinnlos“, sagt Hayes. „Die werden bei der Ausreise sowieso entdeckt.“ Die Folgen der Initiative seien deutlich längere Wartezeiten an den Außengrenzen, eine wachsende Sammlung personenbezogener Daten und immense Kosten.

Profitieren würden nur die Firmen, die die Grenz-Technologie liefern werden. „Das waren auch die Einzigen, die man gefragt hat, ob so ein System funktionieren kann.“ Hayes zweifelt das an: „Alle Versuche der EU, solche Datenbanken anzulegen, sind gescheitert.“

Mit den Plänen reagiert die Eu offiziell auf die „Migrationskrise“ im Mittelmeerraum. „Als der Arabische Frühling kam, haben alle gesagt, sehr schön, aber kommt bloß nicht zu uns“, sagt Keller. „Dafür hat die EU ihre Smart-Border-Pläne, die seit Jahren in den Schubladen gelegen haben, gleich wieder herausgeholt.“

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