Raus aus Afghanistan: Glücklicher unter den Taliban

Viele Afghanen kehren ihrem Land schon jetzt den Rücken. Auch Diplomaten und Minister sichern sich Unterkünfte im Ausland.

Im vergangenen Jahr beantragten 43.000 Afghanen Asyl. Bild: reuters

BERLIN taz | Die afghanische Regierung ist besorgt über die Zahl ihrer Diplomaten, „die es vorziehen, nach dem Ende ihrer Mission im Ausland zu verbleiben“. Laut der liberalen Kabuler Tageszeitung Hascht-e Sobh wolle sie deshalb deren Bezüge erhöhen und Privatwohnungen in der afghanischen Hauptstadt bereitstellen.

Das Ministerium reagiert damit auf Berichte, wonach 40 Prozent aller Diplomaten nach ihrem Auslandseinsatz nicht in ihr Land zurückkehren. Angesichts des für Ende 2014 geplanten Endes des Nato-Kampfeinsatzes und der höchst instabilen Sicherheitslage kehrten demnach „Hunderte von afghanischen Regierungsbeamten einschließlich Angestellten des Präsidialamtes“, 70 Journalisten, 60 Sportler und zahlreiche Studenten nicht von Auslandsaufenthalten zurück.

Ein Bericht der dänischen Regierung bestätigt unter Berufung auf UN-Quellen, dass „viele Minister ihre Familien im Ausland untergebracht haben“. Insgesamt beantragten im vergangenen Jahr laut UN-Flüchtlingskommissariat etwa 43.000 Afghanen in westlichen Industriestaaten Asyl, 30 Prozent mehr als im Jahr davor.

Im Wirtschaftssektor flieht vorerst nur das Kapital. Im Jahr 2011 betrug der offiziell deklarierte Abfluss aus Afghanistan umgerechnet etwa 4,6 Milliarden US-Dollar. Das entspricht dem aktuellen Jahresbudget der Regierung. Die Asiatische Entwicklungsbank korrigierte ihre Wachstumsprognosen für Afghanistan bereits nach unten und teilte mit, das habe „direkt mit der Reduzierung der Auslandshilfe zu tun“. Der größte Geber, die USA, halbierte 2011 die Entwicklungsgelder.

Nur noch 3.000 Hindus und Sikhs

Es gibt aber auch politische Exilanten. Der prominenteste Fall ist der des Journalisten und politischen Aktivisten Hossain Yasa, der sich nach mehreren Verhören durch den Geheimdienst gezwungen sah, aus dem Land zu fliehen. Hintergrund scheint sein Eintreten für einen föderalistischen Staatsaufbau zu sein, ein Thema, auf das Karsai und seine Anhänger höchst allergisch reagieren.

Wegen zunehmender Angriffe bat im vorigen August auch der Afghanische Rat der Hindu- und Sikh-Gemeinschaften die UNO um die Bereitstellung eines Zufluchtsortes im Ausland. Von den 20.000 Hindus und Sikhs in Afghanistan, die zu Beginn der 1990er Jahre in Afghanistan lebten, sind nur etwa 3.000 zurückgeblieben. „Um die Wahrheit zu sagen, wir sind weniger glücklich unter Präsident Karsai als wir es unter den Taliban waren“, erklärte Ratssprecher Awtar Singh Khalsa.

Einmal zahlen
.

Fehler auf taz.de entdeckt?

Wir freuen uns über eine Mail an fehlerhinweis@taz.de!

Inhaltliches Feedback?

Gerne als Leser*innenkommentar unter dem Text auf taz.de oder über das Kontaktformular.

Wir würden Ihnen hier gerne einen externen Inhalt zeigen. Sie entscheiden, ob sie dieses Element auch sehen wollen.

Ich bin damit einverstanden, dass mir externe Inhalte angezeigt werden. Damit können personenbezogene Daten an Drittplattformen übermittelt werden. Mehr dazu in unserer Datenschutzerklärung.

Bitte registrieren Sie sich und halten Sie sich an unsere Netiquette.

Haben Sie Probleme beim Kommentieren oder Registrieren?

Dann mailen Sie uns bitte an kommune@taz.de.