Kolumbianer wählen Frieden

KOLUMBIEN Amtsinhaber und Rechtskandidat Juan Manuel Santos kann als Präsident weiter regieren. Er gewinnt damit ein klares Mandat für weitere Verhandlungen mit der Guerilla

Möglicherweise haben sich die politischen Koordinaten jetzt nachhaltig verschoben

AUS BUENOS AIRES JÜRGEN VOGT

Kolumbiens rechtsgerichteter Präsident Juan Manuel Santos kann weitere vier Jahre regieren. Am Sonntag setzte er sich in der Stichwahl gegen den noch rechteren Herausforderer Óscar Iván Zuluaga durch. Santos erhielt knapp 51 Prozent der Stimmen, Zuluaga 45 Prozent. Dass lediglich 48 Prozent der 21 Millionen Stimmberechtigten ihr Votum abgaben, liegt durchaus im Rahmen der in Kolumbien üblichen Wahlenthaltung.

Damit hat Santos’ Friedenskarte gestochen. Unermüdlich hat er die Stichwahl zu einer Abstimmung über Krieg oder Frieden gemacht. „Es ging nicht um die Namen der Kandidaten, sondern um die Richtung des Landes“, kommentierte er auch am Wahlabend seinen Erfolg. Und er wusste, bei wem er sich dafür zu bedanken hatte. „Kolumbianer mit unterschiedlichen politischen Überzeugungen, einschließlich vieler, die nicht mit meiner Regierung sympathisieren, haben sich für den Frieden mobilisieren lassen.“

Noch vor drei Wochen hatte Herausforderer Zuluaga mit gut einer halben Million Stimmen Vorsprung im ersten Wahlgang vor Santos gelegen. Doch während Zuluaga seinen Stimmanteil von knapp 3,8 Millionen auf nur 6,9 Millionen steigern konnte, legte Santos mehr als doppelt so viele Stimmen zu. Stimmten im ersten Durchgang nur 3,3 Millionen Wahlberechtigte für Santos, gaben ihm am Sonntag 7,8 Millionen ihre Stimmen. In der Hauptstadt Bogotá verdreifachte er gar seinen Zugewinn.

Doch der eigentliche Verlierer stand am Wahlabend weniger im Rampenlicht: Expräsident Álvaro Uribe musste erstmals seit über zehn Jahre eine herbe Wahlschlappe einstecken. Uribe, konsequenter Verfechter einer militärischen Lösung des Konflikts mit der Guerilla Farc, hatte sich 2002 und 2006 ins Präsidentenamt wählen lassen. Nachdem ihm eine dritte Amtszeit verwehrt wurde, ließ er 2010 erfolgreich seinen Kandidaten Juan Manuel Santos antreten.

Doch statt seinem Herrn treu zu dienen, setzte sich Santos von Uribe ab und begann ab November 2012 mit der Farc über ein Friedensabkommen zu verhandeln. Am Sonntag scheiterte Uribes Strohmann Zuluaga, die Wähler haben sich erstmals klar gegen Uribe gestellt. Santos hat damit ein Mandat für Verhandlungen mit der Guerilla.

Möglicherweise haben sich die politischen Koordinaten am Sonntag nachhaltig verschoben. Santos wird von einem Teil des konservativen Establishments und dessen Medienmacht unterstützt. Mit seiner Formel, es gehe um den Frieden und nicht um ihn, holte er die nötigen Stimmen aus der politischen Mitte und Linken.

Uribe wird seine Opposition als kürzlich gewählter Senator jetzt im Kongress kräftig ausbauen. Einem Drittel der Parlamentarier werden Verbindungen zu den paramilitärischen Gruppen nachgesagt, deren Ursprünge in Uribes politischer Hochburg Antioquia liegen, in der sein Kandidat am Sonntag mit knapp 58 Prozent Stimmanteil allerdings nicht eines seiner besten Einzelergebnisse eingefahren hatte.

Sollte es zu einer Friedensvereinbarung mit der Farc kommen, muss sie entweder in einer Volksabstimmung oder durch den Kongress bestätigt werden. Kolumbianische Analysten spekulieren deshalb, das Land könnte sich politisch in Richtung des chilenischen Modells bewegen: ein Bündnis aus konservativen und Mitte-links-Parteien gegen ein Bündnis von rechts bis rechtsextremen Vereinigungen. Am 7. August wird Santos seine zweite Amtszeit antreten. Die Zusammensetzung seines zukünftigen Kabinetts wird zeigen, ob Santos ein solches Bündnis schmieden kann und will.

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