Innenminister Friedrich verhindert Gerichtsurteil

VEREIN Prozess um angeblichen Hamas-Hilfsverein geht weiter. Innenministerium lehnte Vergleich ab

AUS LEIPZIG CHRISTIAN RATH

Überraschende Wendung im Prozess um das Verbot der islamistischen Hilfsorganisation IHH. Eigentlich wollte das Bundesverwaltungsgericht am Mittwoch sein Urteil verkünden. Doch nach einer Intervention des Innenministeriums wird nun das Verfahren neu eröffnet. Beide Seiten hoffen, dass ihnen das nutzt.

Die IHH (Internationale Humanitäre Hilfsorganisation) sitzt in Frankfurt und sammelt Geld für soziale Organisationen in islamischen Ländern. Im Juni 2010 hat das Innenministerium die IHH verboten, weil sie die palästinensische Hamas unterstütze. Dies verstoße gegen den Gedanken der Völkerverständigung. Die Hamas, die im Gaza-Streifen faktisch die Regierungsgewalt inne hat, sei eine Terrororganisation, die Israel bekämpfe und dessen Existenzrecht ablehne. Die IHH müsse verboten werden, auch wenn sie nur den sozialen Arm der Hamas unterstütze, so das Ministerium, denn dies erhöhe die Akzeptanz der Hamas.

Die IHH protestierte. Es dürfe nicht verboten werden, Spenden für humanitäre Hilfe zu sammeln. Sie klagte gegen das Verbot beim Bundesverwaltungsgericht, obwohl die Leipziger Richter im Fall des Al Aqsa e.V. 2004 ein ganz ähnliches Verbot akzeptiert hatten.

Bei der mündlichen Verhandlung im Mai konnte die IHH punkten. Die Richter kamen zum Schluss, dass sich die IHH wohl nicht mit der Hamas und deren Gewalttaten identifiziere. So habe sie mit einem Sozialverein in Hebron auch dann weiter kooperiert, nachdem dort die mit der Hamas verfeindete Fatah-Bewegung ans Ruder kam.

Zum Entsetzen von IHH-Anwalt Reinhard Marx überlegten die Richter aber auch, dass es für ein Verbot vielleicht gar nicht auf die subjektiven Absichten der IHH ankomme. Schließlich gehe es um Gefahrenabwehr und nicht um Strafrecht.

Als Kompromiss schlugen die Richter deshalb einen Vergleich vor: Die IHH kann weiter arbeiten, muss sich aber bis Juni 2014 ganz aus Palästina heraushalten. Die IHH stimmte dem Vorschlag zu, das Innenministerium lehnte ihn ab. Damit war der Vergleich gescheitert. An diesem Mittwoch hätte das Bundesverwaltungsgericht sein mit Spannung erwartetes Urteil verkünden sollen. Doch dazu kam es nicht. Am Montag war in Leipzig ein neuer 36-seitiger Schriftsatz des Innenministeriums eingegangen. Den wollen die Richter jetzt in einer neuen Verhandlung mit beiden Seiten erörtern. „Das Papier enthält nichts Neues“, schimpft dagegen IHH-Anwalt Marx und spricht von „Prozessverzögerung“. Derzeit ist der IHH jede Betätigung verboten. Marx, ein Experte für Ausländerrecht, will nun aber im Eilverfahren durchsetzen, dass die IHH wieder Spenden sammeln darf.

Das Verbotsverfahren hat große politische Bedeutung, weil die IHH der türkisch-islamistischen Organisation Milli Görüs nahesteht. Manche sehen im IHH-Verbot eine Vorbereitung für ein Verbot von Milli Görüs.