Mehr Demo-Schutz

GRUNDRECHTE Auch im Eilverfahren müssen Beschränkungen von Demos genau geprüft werden

GIESSEN taz | Das Bundesverfassungsgericht hat den Rechtsschutz umstrittener Demonstrationen gestärkt. Auch im Eilverfahren müsse eine Beschränkung oder ein Verbot der Demo umfassend geprüft werden. Die Karlsruher Richter rüffelten dabei die sächsische Justiz.

Konkret ging es um eine gemeinsame Demonstration der NPD-Jugendorganisation Junge Nationaldemokraten (JN) und sogenannter Freier Kräfte, die im Oktober 2010 in Leipzig stattfinden sollte. Unter dem Motto „Recht auf Zukunft“ ging es vor allem darum, eine rechte Demonstration durchzusetzen, nachdem ein Jahr zuvor eine JN-Demo von der Antifa blockiert worden war.

Diesmal wollten die Rechten in drei Marschkolonnen zum Hauptbahnhof ziehen. Nachdem die Polizei zunächst grünes Licht signalisierte, hielt sie später nur eine stationäre Kundgebung für durchführbar, da 10 bis 20 Prozent der rechten Demonstranten und linken Gegendemonstranten gewaltbereit seien und nur 29 von 44 erforderlichen Polizeihundertschaften zur Verfügung ständen. Eine Eilklage der Rechten gegen die Beschränkung ihrer Demo scheiterte. Hiergegen erhob der JN-Landesverband Verfassungsbeschwerde, die nun Erfolg hatte.

Bereits im Eilverfahren müssen die Verwaltungsgerichte die Klagen von Demonstranten „vollständig“ prüfen, betonten die Karlsruher Richter. Normalerweise genügt im Eilverfahren eine „summarische“, also grobe Prüfung.

So hätten die sächsischen Gerichte prüfen müssen, warum die Polizei vier Tage vor der Demonstration plötzlich eine neue Gefährdungsanalyse präsentierte, die zu einem Teilverbot der Demo führte. Soweit für eine vertiefte Prüfung die Zeit fehle, müssten die Folgen wenigstens gründlicher abgewogen werden. (Az.: 1 BvR 2794/10)

CHRISTIAN RATH