DVDESK
: Stolpern über was auch immer

Hal Roach: „Female Comedy Teams“. USA 1935, 223 Min., ca. 30 Euro

Erfolg zeugt Nachahmer, Variationen, Wiederholungen. Erfolgreich war der Stummfilmproduzent Hal Roach mit seinem Komödiengespann Laurel & Hardy, und zwar sehr. Zu den vielen Dingen, die in seiner stets experimentierfreudigen Gag- und Komödienfabrik ausprobiert wurden, gehörte auch die weibliche Darstellervariante als Nachahmerprodukt. Also wanken im Jahr 1928 Marion Byron und Anita Garvin zu Beginn ihres ersten gemeinsamen Films – es wurden nur drei –, „Feed ‚Em and Weep“ („Fütter sie und weine“), über eine staubige Landstraße. In vertrauter Slapstickmanier wird gestolpert über was auch immer im Weg steht und gefallen in eine Grube auf offener Straße.

Eigentlich, erfährt man bald darauf, wollen die beiden, eine sehr klein, die andere groß, nach Hollywood, als Nachfolgerinnen der weiblichen Superstars Gloria Swanson und Mary Pickford. Daraus wird auch auf längere Sicht nichts, stattdessen landen sie als Aushilfskellnerinnen in einem Diner an einer Bahnstation, der, wenn ein Zug hält, von Reisenden überrannt wird. Das meist selbst verschuldete Misslingen des Tuns bei bester Absicht wird, wie stets noch im Slapstick, das Schicksal der Heldinnen. Eine wird als Serviererin in Unterwäsche zum Objekt von Gespött und Begierde. Am Ende ist im Restaurant wie zu erwarten Tortenschlacht, Havarie, Drunter und Drüber. Im Vergleich zu den tragikomischen Tit-for-Tat-Selbstzerstörungsdramoletten von Laurel & Hardy nimmt sich das wenig.

Eine wirklich eigene Handschrift gewannen die Byron-&-Garvin-Komödien nicht. Mit dem Nachfolgepaar Thelma Todd und ZaSu Pitts war das anders. Alle trugen sie übrigens nach bewährtem Modell in den Filmen ihre wirklichen Namen: Gerade weil in den Zwanzigminütern die Charaktere kaum individualisiert sind, trägt die Realnamen-Persona die Komikerinnenfiguren durch ihre seriell komischen Fährnisse. Thelma Todd war ein kommender und dann ein wirklicher Star, eine Blondine mit Schönheitsköniginnenhintergrund („Miss Massachusetts“). Ihr Pendant ZaSu Pitts hatte bereits eine sehr beeindruckende Karriere, vor allem in den Filmen Erich von Stroheims, hinter sich. Mit ihrer zittrig-nöligen Stimme rutschte sie mit Tonfilmbeginn dann ins Komödienfach – ihr „Oh my dear“-Seufzer wurde zur Trademark.

Der Ausstoß der Hal-Roach-Komödienstudios war riesig, entsprechend groß war die Gier nach Stoffen. Todd & Pitts marodieren als Agentinnen der Verunsicherung und Zerstörung durch viele Milieus und Schichten der zeitgenössischen amerikanischen Gesellschaft. In „The Pyjama Party“ werden die beiden von einer wohlhabenden Frau mit dem Auto von der Straße gedrängt und landen in einem See. Zur Wiedergutmachung werden sie zur Abendgesellschaft geladen und produzieren, um Anpassung ans noble Gebaren so redlich wie vergeblich bemüht, Sittenverstoß, Körperverletzung und Chaos. In anderen Filmen bekommen es die beiden u. a. mit Hollywood, der Polizei und einer Tänze beobachtenden Sittenkommission („Asleep in the Feet“) zu tun. In einem der hinreißend surrealen Momente des letzteren Films wippt sogar der Hirschkopf an der Wand zu den verbotenen Rhythmen der Tanzmusik.

Später wurde ZaSu Pitts durch die angenehm vulgäre Patsy Kelly ersetzt. Auch dieses Team war wie das Vorgängerduo durchaus beliebt und erfolgreich beim Publikum, auch wenn seine Berühmtheit mit der von Laurel & Hardy nie mithalten konnte. Das Ende war allerdings tragisch: Thelma Todd starb an einer Abgasvergiftung in ihrer Garage. Ob es Mord oder Selbstmord war, blieb ungeklärt. Die „Female Comedy Teams“ aus Hal Roachs Studio sind der kollektiven Filmerinnerung rasch und recht gründlich entfallen. Das Münchner Filmmuseum hat eine Reihe der Filme restauriert und erstattet sie dem Publikum in einer sehr schönen Ausgabe der „Edition Filmmuseum“ zurück.

EKKEHARD KNÖRER