JÜRGEN EHLERS, IN DEINEM SCHÖNEN LEIBE
: Der Eingeweidejäger

Ehlers ist ein beklemmendes Porträt des Lebens im Hamburg Ende der 30er Jahre gelungen

Das Marketing mancher Verlage hat dem Regionalkrimi zu einiger Verbreitung verholfen – und zu einem zweifelhaften Ruf. Sind Regionalkrimis wirklich so provinziell? Das will diese Serie in loser Folge ergründen.

Der Kopf des Führers schwamm in einer Schüssel mit Wasser. Einen wunderbaren ersten Satz hat Jürgen Ehlers in seinem Krimi „In Deinem schönen Leibe“ gefunden, der in Nazi-Deutschland 1938 spielt. Es ist eine 12-Pfennig-Briefmarke aus dem Deutschen Reich mit Hitlers Konterfei, die da in der Schüssel schwimmt und zur Briefmarkensammlung des achtjährigen Sohnes von Kommissar Wilhelm Berger gehört. Und diese Briefmarkensammlung wird Berger bei einer Hausdurchsuchung durch zwei SA-Leute noch in Schwierigkeiten bringen.

Aber von vorn. Auch der dritte Fall von Kommissar Berger beruht auf einem historischen Fall, wenn Ehlers sich auch die Freiheit nimmt, einige lose Ermittlungsfäden aus dem realen Fall „Anna Teichmann“ zusammenzuführen und zu einem anderen Ende zu bringen. Im Roman verschwindet die siebenjährige Anna auf dem Weg zur Schule spurlos.

Berger und seine Kollegen machen sich auf die Suche nach dem Mädchen. Bald wird ihnen klar, dass sie es vermutlich mit einem Serientäter zu tun haben. Anna ist nicht das erste Kind, das in Hamburg unter ähnlichen Umständen spurlos verschwunden ist und je länger sie ermitteln, desto länger wird die Liste potenzieller Opfer. In Verdacht gerät ein Unbekannter, der seit Jahren anonyme Briefe an junge Mädchen schreibt mit Zeilen wie: „In deinem schönen Leibe locken die Eingeweide“. Jetzt scheint er seine Fantasien in die Tat umzusetzen.

Während die Jagd auf den Kindermörder beginnt, gerät Bergers Welt immer mehr aus den Fugen. Er steht nicht auf Seiten der Nazis, wenn er auch wie alle seine Kollegen Mitglied der NSDAP ist. Seine Frau hat jüdische Vorfahren, und als sein Chef ihn drängt, sie zu verlassen, um seine Zukunft in der Stadt zu sichern, und seine jüdische Tochter ihren Freund, der mit den Internationalen Brigaden gegen Franco kämpfte und dabei verwundet wurde, im Keller versteckt, wird Berger gezwungen, Position zu beziehen. Am Ende versucht er alles, um seine Tochter außer Landes zu bringen und gerät ins Visier der SA.

Ehlers ist ein beklemmendes und einfühlsames Porträt des Lebens im Hamburg Ende der 30er Jahre gelungen – und ein überzeugender Krimi obendrein. Spannend vom ersten Satz bis zur letzten Seite erzählt er seine Geschichte geradlinig, mit einem feinen Humor und ohne jeden störenden Schnörkel. Unbedingt lesenswert.

ILKA KREUTZTRÄGER

Jürgen Ehlers, In Deinem schönen Leibe, KBV Verlags- und Mediengesellschaft, 340 S., 9,90 Euro