ULRIKE HERRMANN ÜBER GERECHTIGKEIT IM GESUNDHEITSSYSTEM
: Private Kassen abschaffen

In der Mittelschicht rumort es, denn der Verdacht ist weit verbreitet, dass es in Deutschland nicht gerecht zugeht – und dass vor allem die Normalverdiener die Lasten der Solidarität tragen müssen, während sich die Bessergestellten weitgehend entziehen. Wie berechtigt dieser Verdacht ist, zeigt jetzt ein kleines Detail bei den Krankenkassen.

Gesundheitsminister Bahr will gesetzlich klarstellen, dass sich die Wahltarife bei den gesetzlichen Krankenkassen selbst tragen müssen – und nicht durch die Beiträge der anderen Versicherten quersubventioniert werden dürfen. Dies klingt kompliziert, aber ein zweiter Blick lohnt.

Die Wahltarife wurden eingeführt, damit die Besserverdienenden nicht von den gesetzlichen Krankenkassen in die privaten Kassen wechseln. Sie waren also eine „Halteprämie“. Übersetzt bedeutete dies: Die normalen Kassenmitglieder mussten dafür zahlen, dass die Besserverdienenden Zusatzangebote erhielten. Es ist richtig, dass diese Umverteilung von unten nach oben unterbunden wird.

Die gesetzlichen Kassen fürchten nun, dass die Besserverdienenden verstärkt in die privaten Kassen abwandern, wenn keine Halteprämien mehr ausgeschüttet werden.

Diese Sorge ist vielleicht berechtigt – zeigt aber nur, dass es Wahnsinn ist, dass die privaten Kassen überhaupt existieren. Es gibt keinen Grund, warum dort Beamte, Gutverdiener und Selbstständige unter sich bleiben dürfen, während es der Mittelschicht in den gesetzlichen Kassen überlassen bleibt, die Krankheitskosten der Armen zu tragen.

Diese prinzipielle Ungerechtigkeit wird durch „Halteprämien“ für Besserverdienende nicht repariert, sondern noch größer. Es ist Zeit, die privaten Kassen abzuschaffen. Aber das ist mit einem FDP-Gesundheitsminister Bahr natürlich nicht zu machen.

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