ULRIKE HERRMANN ZUR DEBATTE ÜBER ZU HOHE MANAGERGEHÄLTER
: Erregung ohne Folgen

Eine Mehrheit wird verführt, gegen eigene Interessen zu stimmen. Das zeigt das Beispiel Schweiz

Mehrmals im Jahr passiert es: In Deutschland bricht eine leidenschaftliche Debatte los, dass Manager viel zu viel verdienen. Diese Wut ist berechtigt. DAX-Chefs erhalten teilweise 200-mal so viel wie ein Durchschnittsverdiener.

Doch politisch tut sich nichts. Diese folgenlose Erregungskultur zeigt sich jetzt wieder bei den Vereinbarungen von SPD und Union. Diese sehen nur vor, dass Aktiengesellschaften künftig offenlegen sollen, in welchem Verhältnis die Managergehälter zu den Durchschnittsgehältern stehen.

Das klingt erst einmal gut. Doch diese neue Transparenz wird nichts bringen, weil es Transparenz längst gibt. Schon jetzt müssen Aktiengesellschaften in ihren Geschäftsberichten erläutern, was ihre Vorstände und Aufsichtsräte verdienen. Ironischerweise hat genau diese Transparenz dazu geführt, dass die Managergehälter gestiegen sind. Denn seit jeder DAX-Chef weiß, was die Kollegen in den anderen Unternehmen erhalten, kann er ebenso hohe Gehälter fordern. Transparenz fördert die Gier und steigert die Einkommen. Diese Erfahrung machten auch die USA, wo die Transparenz als Erstes eingeführt wurde.

Wer die Managergehälter beschneiden will, muss staatliche Vorgaben machen und eindeutige Höchstgrenzen festlegen. Genau hier setzte die Volksabstimmung in der Schweiz an, die am Sonntag gescheitert ist. Zur Wahl stand, dass ein Manager künftig nur noch 12-mal so viel verdienen darf wie ein einfacher Arbeiter. Doch 65,3 Prozent stimmten dagegen, obwohl auch die meisten Schweizer empört sind, dass die Konzernchefs vor allem an die eigene Schatulle denken.

Die Schweizer Wähler sind also genauso widersprüchlich wie die Deutschen – was die eidgenössische Volksabstimmung so interessant macht für die Debatten hierzulande. Sie war ein offenes Versuchslabor, wie sich eine Mehrheit verführen lässt, gegen die eigenen Interessen zu stimmen.

Die Schweizer Wirtschaftsverbände warteten mit drei Schlagwortkategorien auf, die allesamt auf tiefsitzende Ängste und Vorurteile zielten: 1. Managergehälter zu begrenzen, sei eine „sozialistische Idee“ oder ein „sozialistisches Abenteuer“. 2. Die Deckelung sei eine „Verstaatlichung des Arbeitsmarktes“ und ein „Lohndiktat des Staates“. 3. Wenn die Manager geknebelt würden, würden sich die großen Konzerne aus der Schweiz zurückziehen und ins Ausland abwandern.

Die erste Behauptung ist leicht zu kippen: Gerade die Verfechter der Marktwirtschaft behaupten ja gebetsmühlenhaft, dass sich Einkommen und Gewinn an der Leistung orientieren sollten. Doch offenbar beziehen Manager ein leistungsloses Einkommen, wenn ihre Gehälter exorbitant steigen, obwohl weder die Wirtschaft noch ihre Unternehmen entsprechend wachsen. Die „Marktwirtschaft“ scheint also gerade bei ihren Managern zu versagen.

Womit Behauptung 2 ebenfalls erledigt ist: Auch Marktwirtschaftler erkennen an, dass der Staat eingreifen muss, wenn ein Markt erkennbar nicht funktioniert. Deutsche Marktwirtschaftler nennen dies gern hochgestochen „Ordopolitik“ oder „Ordoliberalismus“. Typische Ordopolitik ist etwa der Umweltschutz: Die Firmen würden jeden Fluss verschmutzen, wenn man es ihnen nicht schlicht verbieten würde. Die Analogie: Wenn eine kleine Gruppe so viel soziale Macht hat, sich ein leistungsloses Einkommen zu verschaffen – dann muss man diese Macht eben begrenzen.

Bleibt Argument Nummer 3: Wie wahrscheinlich ist es, dass Konzerne ihren Sitz verlagern, nur weil ihre Manager nicht exorbitant verdienen dürfen? Die Antwort ist schlicht: Die Wahrscheinlichkeit liegt genau bei null. Denn ein Unternehmen lässt sich nur ins Ausland transferieren, wenn die Aktionäre zustimmen. Doch warum sollten die Anteilseigner die enormen Risiken auf sich nehmen, die jeder Totalumzug bedeuten würde? Sollte der eher unwahrscheinliche Fall eintreten, dass sich ein Manager zu fein ist, um für ein gedeckeltes Gehalt zu arbeiten – dann fände sich bestimmt eine andere fähige Kraft, die bisher in der zweiten Reihe aktiv war.

Eigentlich sind die Manager machtlos und nutzen nur die Ängste der Bevölkerung aus, um ihre Millionengehälter zu rechtfertigen. Aber an dieser seltsamen Konstellation wird sich nichts ändern, solange die Wähler ihren Ängsten blind folgen.