Kommentar Deflation in Spanien: Verrückte Börsianer

In Spanien beginnt die Deflation und sofort steigen die Aktien. Eine drohende Rezession wird in einen kommenden Boom umgedeutet.

Schön hier: Börse in Madrid. Bild: dpa

Die Finanzmärkte spielen wieder verrückt, wie sich derzeit an den Börsen beobachten lässt. Die Aktien steigen, weil sich die Krise in Spanien verschlimmert und dort eine Deflation beginnt. Eine schlechte Nachricht gilt also plötzlich als gute Nachricht – wie kann das sein?

Um zunächst bei der Deflation in Spanien zu bleiben: Es war politisch gewollt, dass die Preise fallen, denn das Mantra lautete, dass die Spanier „wettbewerbsfähiger“ werden sollten. Erst verspätet fiel den EU-Spitzen auf, dass eine Deflation extrem gefährlich ist. Denn es wird unmöglich, Schulden zurückzuzahlen, wenn die Preise sinken. Zudem nimmt kein Unternehmer einen neuen Kredit auf, um zu investieren, wenn er sich ausrechnen kann, dass seine Umsätze künftig sinken, weil die Preise nachgeben. Eine Deflation ist der direkte Weg in eine Rezession.

Die Europäische Zentralbank ist daher alarmiert – zumal nicht nur in Spanien eine Deflation beginnt, sondern auch die anderen Krisenländer mit einem Preisverfall kämpfen. Selbst Deutschland wird schon angesteckt: Auch hier sinkt die Inflationsrate. Es ist also damit zu rechnen, dass die EZB Geld in die Wirtschaft pumpt, um die langfristigen Zinsen zu drücken und die Konjunktur anzukurbeln.

Noch hat die EZB nichts entschieden, doch die Spekulanten sind optimistisch, dass die Geldspritze demnächst kommt. Auf diesen Geldsegen wird jetzt gewettet, denn er ist für Aktionäre doppelt attraktiv: Wenn die Zinsen fallen, werden Dividenden vergleichsweise lukrativer – und wenn die Konjunktur tatsächlich anziehen sollte, dann profitieren Unternehmen besonders.

Es klingt wie zwingende Logik und ist dennoch verkehrte Welt: Eine drohende Rezession wird in einen kommenden Boom umgedeutet. Das kann nur schiefgehen.

Einmal zahlen
.

Fehler auf taz.de entdeckt?

Wir freuen uns über eine Mail an fehlerhinweis@taz.de!

Inhaltliches Feedback?

Gerne als Leser*innenkommentar unter dem Text auf taz.de oder über das Kontaktformular.

Der Kapitalismus fasziniert Ulrike schon seit der Schulzeit, als sie kurz vor dem Abitur in Gemeinschaftskunde mit dem Streit zwischen Angebots- und Nachfragetheorie konfrontiert wurde. Der weitere Weg wirkt nur von außen zufällig: Zunächst machte Ulrike eine Banklehre, absolvierte dann die Henri-Nannen-Schule für Journalismus, um anschließend an der FU Berlin Geschichte und Philosophie zu studieren. Sie war wissenschaftliche Mitarbeiterin der Körber-Stiftung in Hamburg und Pressesprecherin der Hamburger Gleichstellungssenatorin Krista Sager (Grüne). Seit 2000 ist sie bei der taz und schreibt nebenher Bücher. Ihr neuester Bestseller heißt: "Das Ende des Kapitalismus. Warum Wachstum und Klimaschutz nicht vereinbar sind - und wie wir in Zukunft leben werden". Von ihr stammen auch die Bestseller „Hurra, wir dürfen zahlen. Der Selbstbetrug der Mittelschicht“ (Piper 2012), „Der Sieg des Kapitals. Wie der Reichtum in die Welt kam: Die Geschichte von Wachstum, Geld und Krisen“ (Piper 2015), "Kein Kapitalismus ist auch keine Lösung. Die Krise der heutigen Ökonomie - oder was wir von Smith, Marx und Keynes lernen können" (Piper 2018) sowie "Deutschland, ein Wirtschaftsmärchen. Warum es kein Wunder ist, dass wir reich geworden sind" (Piper 2022).

Bitte registrieren Sie sich und halten Sie sich an unsere Netiquette.

Haben Sie Probleme beim Kommentieren oder Registrieren?

Dann mailen Sie uns bitte an kommune@taz.de.