Kommentar EU-Stabilitätspakt: Merkel, die neoliberale Gouvernante

Die Eurokrise ist ein Großlabor, das zeigt: Die verordneten Sparkurse funktionieren nicht. Absurd, dass Merkel jenseits der Grenzen aber darauf pocht.

Eine schwäbische Hausfrau war Angela Merkel in Deutschland nie. Bild: dpa

Die neoliberalen Rezepte funktionieren nicht. Die Eurokrise ist ein Großraumlabor, wo in Echtzeit erprobt werden kann, ob sich ökonomische Glaubenssätze bewähren. Ergebnis: Es war eine ganz schlechte Idee, den Krisenländern einen Sparkurs zu verordnen. Italien und Frankreich haben recht, wenn sie stattdessen Konjunkturpakete verlangen.

Der interessanteste Testfall ist Portugal, weil es bis jetzt brav umgesetzt hat, was von der Troika verlangt wurde. Die Portugiesen haben die Renten gekürzt, den Staatshaushalt zusammengestrichen und die Mehrwertsteuer erhöht. Dennoch ist die Staatsverschuldung nicht etwa gesunken – sondern weiter gestiegen. Seit 2010 mussten die Portugiesen 40 Milliarden Euro neue Kredite aufnehmen. Es ist ein Paradox und trotzdem wahr: Sparen erhöht die Schulden.

Dieses Phänomen ist den Deutschen übrigens nicht unbekannt. Man erinnere sich nur an das traurige Schicksal eines SPD-Finanzministers namens Hans Eichel. Dieser selbst ernannte „Sparkommissar“ wollte den Bundeshaushalt sanieren, doch damit würgte er die Wirtschaft ab. Die Steuereinnahmen fielen, und die Schulden stiegen. Gescheitert saß Eichel hinter seinen Sparschweinen, die er symbolträchtig auf seinem Schreibtisch aufgereiht hatte.

Mit der deutschen Wirtschaft ging es erst aufwärts, als Angela Merkel das Kanzleramt bezog und den Sparkurs stoppte. Die Steuern sprudelten wieder, und der Haushalt sanierte sich von selbst. Wie immer war Merkel bemerkenswert pragmatisch, wenn es um ihre eigene Macht ging. In Deutschland war die Kanzlerin nie eine schwäbische Hausfrau. Deswegen ist es ja so absurd, dass sie sich jenseits der Grenzen als neoliberale Gouvernante aufspielt, die jedem Staatschef auf die Finger klopft, wenn er nicht brav spart.

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Der Kapitalismus fasziniert Ulrike schon seit der Schulzeit, als sie kurz vor dem Abitur in Gemeinschaftskunde mit dem Streit zwischen Angebots- und Nachfragetheorie konfrontiert wurde. Der weitere Weg wirkt nur von außen zufällig: Zunächst machte Ulrike eine Banklehre, absolvierte dann die Henri-Nannen-Schule für Journalismus, um anschließend an der FU Berlin Geschichte und Philosophie zu studieren. Sie war wissenschaftliche Mitarbeiterin der Körber-Stiftung in Hamburg und Pressesprecherin der Hamburger Gleichstellungssenatorin Krista Sager (Grüne). Seit 2000 ist sie bei der taz und schreibt nebenher Bücher. Ihr neuester Bestseller heißt: "Das Ende des Kapitalismus. Warum Wachstum und Klimaschutz nicht vereinbar sind - und wie wir in Zukunft leben werden". Von ihr stammen auch die Bestseller „Hurra, wir dürfen zahlen. Der Selbstbetrug der Mittelschicht“ (Piper 2012), „Der Sieg des Kapitals. Wie der Reichtum in die Welt kam: Die Geschichte von Wachstum, Geld und Krisen“ (Piper 2015), "Kein Kapitalismus ist auch keine Lösung. Die Krise der heutigen Ökonomie - oder was wir von Smith, Marx und Keynes lernen können" (Piper 2018) sowie "Deutschland, ein Wirtschaftsmärchen. Warum es kein Wunder ist, dass wir reich geworden sind" (Piper 2022).

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