ANDREAS BEHN ZU FOLTERVORWÜRFEN GEGENÜBER DER POLIZEI IN BRASILIEN
: In der Regel Straflosigkeit

Die Vorwürfe von Human Rights Watch sind nichts Neues, aber dennoch wichtig: In Brasilien wird gefoltert. In Gefängnissen, auf Polizeiwachen oder schon im Streifenwagen. Opfer sind nicht die Staatsfeinde wie zu Zeiten der Diktatur, sondern einfache Kriminelle oder solche, die dafür gehalten werden. Meist junge, dunkelhäutige Männer aus armen Verhältnissen. Die Menschenrechtler fordern gesetzliche Maßnahmen, damit Festgenommene vor der Willkür der Behörden geschützt werden.

Doch was tun, wenn der kritische Bericht nicht einmal die Spitze des Eisbergs benennt? Die Misshandelten haben geradezu Glück, vergleicht man ihr Schicksal mit denjenigen, die statt einer Festnahme oder unmittelbar darauf von Polizisten hingerichtet werden. Reiner Zufall, dass allein im Juli zwei solcher Fälle in Rio de Janeiro publik wurden: Im ersten Fall konnte einer der zwei Jugendlichen Anzeige erstatten, weil er sich nach einer missglückten Erschießung tot stellte. Im zweiten Fall gelang es sechs Beamten nicht, die Erschießung zweier Favela-Bewohner glaubhaft als Gefecht mit Drogenhändlern darzustellen.

Straffreiheit, Korpsgeist und Beihilfe zahlreicher verantwortlicher Lokalpolitiker sind dafür verantwortlich, dass Sicherheitspolitik in vielen Städten vor allem eine Bedrohung derjenigen darstellt, die in der Presse als potenziell kriminell dargestellt werden. Rassismus und Kriminalisierung von Armut ist auch in Teilen der brasilianischen Bevölkerung tief verankert. Viele denken laut: „Nur ein toter Bandit ist ein guter Bandit.“

Menschenrechtler sagen, dass die soziale Repression heute ungleich schlimmer sei als die politische zu Diktaturzeiten. Die Täter sind die gleichen. Solange die Diktatur in Brasilien nicht aufgearbeitet wird und Straflosigkeit Uniformierter die Regel ist, werden Polizisten weiter foltern.

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