Rechtsextreme Geschichtsschreibung

REVANCHISMUS Der Chef der JU Bremerhaven hegt großdeutsche Träume und macht den britischen und amerikanischen Soldaten des 2. Weltkriegs heftige Vorwürfe. Das sei „unglücklich formuliert“, sagt er

Der CDUler „überlegt, ob es völkerrechtlich problematisch sein könnte, dass große Teile Deutschlands abgetrennt wurden“

In den Diskussionen um Kredite für die griechische Regierung hat die CDU ja schon öfters Ressentiments verbreitet. Auch der Vorsitzende der Jungen Union Bremerhaven (JU), Ingo Ricklefs, schimpft auf Facebook – aber nicht über „faule Griechen“. In der Debatte um die möglichen Zahlungen Deutschlands an Griechenland wegen des Zweiten Weltkriegs wird der 34-Jährige Architekt sehr deutlich – Gebietsansprüche inklusive.

Auf Facebook führt Ricklefs, der seit Januar JU-Vorsitzender in Bremerhaven ist, aus: „Vielleicht lehne ich mich weit aus dem Fenster, doch wenn man täglich in der Boulevardpresse von der Forderungen aus Athen liest, nach Wiedergutmachung und Reparation, dann überlegt man doch, ob es völkerrechtlich problematisch sein könnte, dass große Teile Deutschlands nach den beiden Weltkriegen abgetrennt wurden“. Auf der Seite schaut einen Ricklefs von einer Porträtaufnahme mit dem Logo des „Fußball-Club Bremerhaven“ freundlich an. Daneben führt der JU-Politiker gleich weiter aus, „dass während des 2. Weltkriegs insbesondere Briten und Amerikaner die deutsche Zivilbevölkerung massiv und ohne militärische Bedeutung flächendeckend bombardiert und neben den Zigtausend Toten auch Kunst- und Kulturgüter zerstört haben“.

Derlei Verwechslung von Ursache und Wirkung und das Beklagen und Gleichsetzen kennzeichnet seit Jahrzehnten rechtsextreme Bemühungen, die deutsche Geschichte neu zu schreiben. In der JU ist das sonst nicht der übliche öffentliche Jargon. Nils Janssen, Stellvertretender Vorsitzender des CDU-nahen Jungen Wirtschaftsrates in Bremen, hat bei Facebook dennoch „Gefällt mir“ angeklickt.

„Ich habe diese Passage vor ein paar Tagen geschrieben“, räumt Ricklefs auf Nachfrage der taz ein und schiebt gleich nach: „Das ist unglücklich formuliert.“Denn der Kommentar sollte sich eigentlich für die körperliche Unversehrtheit aller Menschen stark machen. Aber so sei das bei den schnell geschriebenen Einträgen bei Facebook, sagt er weiter, da würde nicht wie bei einer Presseerklärung jedes Wort vorher genau abgewogen: „Das kennen sie doch.“  ANDREAS SPEIT