Südafrikas umstrittener Präsident Zuma: Ohne Wissen, ohne Macht

Vollmundige Versprechen, keine Lösungen, viel Korruption - das ist die Bilanz Jacob Zumas. Vom Mandelas Traum eines demokratischen Landes ist wenig geblieben. Die WM wird daran nichts ändern.

Auch die WM wird aus Südafrika kein demokratisches Land machen: Präsident Jacob Zuma sei Dank. Bild: ap

Die Überraschung ist gelungen. Jacob Zuma taucht mit breitem Lächeln an Bord der Maschine der South African Airways in Johannesburg auf. Südafrikas Präsident schüttelt die Hände, die sich ihm entgegenstrecken. Er sitzt eingezwängt und plaudernd mit Passagieren. Anstatt im Präsidentenjet stilvoll zu Besprechungen zu fliegen, wolle er lieber dort sein, wo normale Südafrikaner sind, sagt der Staatschef im Brustton der Überzeugung. Dort, wo normale Südafrikaner sind, brennen zur selben Zeit Autoreifen an Barrikaden.

Polizisten feuern in Townships Gummigeschosse auf protestierende, Steine werfende Anwohner. Die warten schon lange auf ein kleines Haus und bessere Infrastruktur. Es ist ein allzu häufiges Szenario in Südafrika, das beinahe täglich in einer der armseligen Gemeinden aufflammt.

Begehrte Trophäe: Er sei sich sicher, eines der sechs afrikanischen Teams werde dafür sorgen, dass die WM-Trophäe in Afrika bleibe, sagte kurz vor der Fußball-WM, die am Freitag beginnt, Südafrikas Präsident Jacob Zuma. Auf einer Pressekonferenz zusammen mit Fifa-Präsident Sepp Blatter am Sonntag in Pretoria erklärte Zuma, sein Land sei bereit für den Anstoß. Die Sportveranstaltung habe die ehemals gespaltene Nation geeint. Seit der Freilassung von Nelson Mandela im Jahr 1990 habe das Land keine solche Begeisterung mehr erlebt.

Begehrte Flaggen: Die Nationalflagge finde reißenden Absatz und das Anschwellen des Nationalstolzes sei ein unbezahlbarer Nebeneffekt der WM, sagte Zuma weiter. Er kritisierte diejenigen, die an Südafrika als Gastgeberland der ersten WM auf afrikanischem Boden gezweifelt hätten.

Wenn die Welt während der Fußballweltmeisterschaft zu Gast sei, wisse man sich zu benehmen, verkündet Zuma, als Frager einen Imageverlust für das Land fürchten. Aber Lösungen, um den armen Massen schneller zu einem ordentlichen Lebensstandard zu verhelfen, bietet er nicht, und die politische Misere bleibt auch während der WM sichtbar. Zumas Regierung erlebt nach dessen Amtsantritt im April 2009 ein Debakel nach dem nächsten. Sie ist innenpolitisch zerrüttet, ihr nächstes Ziel ist der wichtige Parteikongress des regierenden Afrikanischen Nationalkongresses (ANC) in zwei Jahren, denn dort werden die Weichen für die Wahlen 2014 gestellt, und es ist nicht sicher, dass die Basis Jacob Zuma dann noch zujubelt wie Ende 2007, als sie den Populisten an die Stelle des ungeliebten Präsidenten Thabo Mbeki hievte.

Zumas ANC ist aus dem Gleis geraten. "Sein Führungsmangel im Zentrum der Partei und der Regierung hat den Parteibonzen auf Lokalebene freien Lauf gelassen, eigenen Interessen nachzugehen", beschreibt der Universitätsprofessor William Gumede die Lage des ANC. "Wir hatten vor 16 Jahren bei Mandelas Amtsantritt große Hoffnung, dass die älteste Befreiungsbewegung auf dem Kontinent besser regieren wird als die restlichen afrikanischen Machthaber." Enttäuschung stattdessen. Der Wettkampf um die Macht werde härter, zum Teil tödlich.

Das zeige sich auch im Kampf um Staatsgelder. "Bling culture" nennt Gumede den Stil, den viele Politiker betreiben, in Anspielung auf dicke Autos, Schmuck und protzige Kleidung - Statussymbole der ANC-Bonzen. Wer diesen Weg wählt, schreckt vor Abkürzungen nicht zurück: Das bedeute, sich an einen Paten innerhalb der Partei oder auch einen kriminellen Boss zu heften. Gumede: "Der wird gelobt, auch wenn es keinen Grund gibt, und es wird geschwiegen, wenn Dinge schieflaufen."

Einer, der nicht schweigt, ist Velinzima Vavi, der Boss des zwei Millionen Mitglieder starken Gewerkschaftsdachverbands Cosatu. Aber jetzt lehnte er sich offenbar zu weit aus dem Fenster: Vor wenigen Tagen drohte Vavi, aus der Regierungsallianz mit dem ANC auszusteigen. Die Linken in Gewerkschaften und Kommunistischer Partei, denen Zuma seinen Aufstieg größtenteils zu verdanken hat, drohen öfter mit dem Bruch der gemeinsamen Regierung, die ihnen zu wirtschaftsfreundlich ist. Aber Vavi wagte es jetzt, hochrangige ANC-Mitglieder der Korruption zu beschuldigen.

Was brachte ihm das ein? Die Androhung eines Disziplinarverfahrens und Angst um sein Leben. Präsident Zuma findet bisher - wie häufig in brenzligen Momenten - keine klaren Worte für die Situation. Die finden andere: Am Freitag erhielt Vavi einen anonymen Brief mit der Prophezeiung, er werde sterben wie jüngst der stellvertretende Gesundheitsminister Molefi. Der kam im April bei einem mysteriösen Autounfall ums Leben. Das ist Politik im Simbabwe-Stil.

Kritik unerwünscht - das ist eine traurige Bilanz von Mandelas Traum eines demokratischen Südafrikas. Der bedrängte Gewerkschaftsboss Vavi hat Kommunikationsminister Siphiwe Nyanda beschuldigt, mehr als 50.000 Euro für Unterbringung in Luxushotels auszugeben, während sein Diensthaus renoviert wird. Und Vavi behauptet, Sicelo Shiceka, Minister für "kooperative Regierungsführung", habe seinen Lebenslauf gefälscht und sich persönlich mit Staatsgeldern bereichert. Nyanda will den Cosatu-Chef vor Gericht bringen, sollte er sich nicht entschuldigen. "Ich spreche für die Arbeitnehmer, sie haben ein Recht, kritisch zu sein", kontert Vavi.

Deutlich sanfter behandelt wird Julius Malema, ANC-Jugendliga-Präsident und Aushängeschild des linken Parteiflügels, der mehrmals wegen Tiraden gegen Weiße Aufsehen erregt hat. Lange Zeit sagte die Parteiführung nichts, nach langen Verzögerungen gab es ein ANC-internes Disziplinarverfahren und er musste sich öffentlich entschuldigen. Aber die Beziehungen des ANC zu einem Teil der weißen Bevölkerung sind verdorben, weil Malema - Enfant terrible und klassischer Vertreter der Schicht der ominösen ANC-Neureichen - mit alten Kampfliedern wie "Töte den Buren" auf politischen Veranstaltungen Stimmung machte, unter anderem ausgerechnet während der Zeit, als der Mord am weißen Rechtsextremistenführer Eugene Terreblanche im April Ängste vor neuen Rassenkonflikten schürte.

Aber auch Schwarze mögen Malema nur bedingt. Sein exklusiver Lebensstil stört die Armen, für die er angeblich Stellung bezieht. Als Reaktion versteckt sich Zuma hinter der gern zitierten "kollektiven Führung" des ANC: Nur die könne über Malemas Schicksal entscheiden. Einen Rausschmiss aus der Partei gab es nicht. Malema wird von einer Gruppe schwarzer Nationalisten innerhalb der ANC-Riege unterstützt. Er sagt Dinge, die sie nicht öffentlich sagen können, wollen sie im Amt bleiben.

Als Zuma 2007 ANC-Chef und 2009 Südafrikas Präsident wurde, trat er als starker Mann mit klaren Zielen auf, aber bei parteiinternem Streit geht er jetzt in Deckung. Zumal er selbst mit Skandalen von sich reden macht. Hatte er sich vor wenigen Monaten für die Zeugung eines unehelichen Kindes rechtfertigen müssen, soll der bekennende Polygamist nun Vater seines 21. Kindes werden, während eine seiner drei Ehefrauen angeblich eine Affäre mit einem Bewacher des Präsidenten hat. Die Affäre ist jetzt zur polizeilichen Angelegenheit geworden, ein Krisenstab ermittelt. Der Präsident selbst kommt mit Entschuldigungen für sein außereheliches Verhalten davon.

Zuma hatte vor Amtsantritt viele Versprechungen gemacht, die ihn nun einholen. Viele schwarze Wähler sind desillusioniert, denn Armut und Arbeitslosigkeit steigen, und an der sozialen Ungleichheit entscheidet sich der künftige Weg des ANC. "Wissen ist Macht, aber Zuma hat weder das eine noch das andere", sagt John Kane-Berman, Leiter des Instituts für Rassenbeziehungen in Johannesburg. Was Zuma als Fortschritt preist, hält Berman für Versagen: dass der Präsident eine Hotline für Bürger eingerichtet hat, die ihm ihre Sorgen erzählen, und auf der Fehlleistungen von 8.000 Gemeinderäten und Vertretern des öffentlichen Dienstes aufgedeckt worden sind.

Dieser Regierungsstil mache Verantwortlichkeit vor Ort unmöglich, Korruption sei ein natürliches Nebenprodukt. "Viele Behörden sind heute wohl weniger effektiv als die einst von der Apartheidregierung in Townships eingesetzten Bantu-Räte. Bei Protesten werden jetzt oft die Rücktritte von Bürgermeistern und Gemeinderäten verlangt, die dort für den Erhalt des Parteiwillens sorgen." Es grassiere im Land eine Revolte gegen die ANC-Politik "von oben nach unten" und das Konzept des Staates als Eigentum der Partei.

Vor wenigen Tagen rief der ANC wieder einmal eine Kampagne ins Leben, bei der Parteimitglieder frühzeitig die Regierung auf soziale Probleme aufmerksam machen sollen. ANC-Sprecher Jackson Mthembu räumte ein, dass die Kluft zwischen dem ANC-Apparat und den ANC-regierten Gemeinden so groß ist, dass politische Außenstellen ebenso überrascht werden von gewaltsamen Demonstrationen wie die Regierung selbst.

Streiks kosten Milliarden

Zumas Regierung hat ein weiteres Problem: Die enorme Streikwelle im Transportsektor, die das Land im Mai um Milliarden Euro brachte. Der Streik ist eingestellt, aber laut einigen Gewerkschaften nicht beendet. Es handelt sich möglicherweise nur um eine Auszeit während der WM. Auch die Proteste in den Townships gehen weiter, und die Regierung bereitet sich sogar auf erneute Übergriffe auf afrikanische Ausländer in Südafrika nach der WM vor, wenn die Ernüchterung über den harten Alltag eintritt und Frustrationen und nicht erfüllte Erwartungen ein Ventil suchen.

Dabei ist sich der Präsident seiner Unzulänglichkeiten durchaus bewusst. Als letztes Jahr die Welle von Protesten in den Townships losging, räumte Zuma ein, dass die ANC-Regierung oftmals kurzsichtig plane. Er besuchte arme Gemeinden sowie das Township Tembisa und fand einen Draht zu den unzufriedenen Menschen. Eine Stippvisite nach seinem ersten Besuch vor einem halben Jahr ergab, dass unterdessen einige Häuser gebaut worden waren. Zuma verspricht Kontakt mit den Massen. Er hört ihnen so zu wie den Passagieren an Bord der SAA-Maschine und beteuert, er will Abhilfe schaffen.

Aber trotz solider Zweidrittelmehrheit an der Wahlurne steckt der ANC in einer tiefen Krise und braucht eine klare Vision. "Zuma hat die nicht und ist schwach", sagt William Gumede und zweifelt an einer Wiederwahl. "Wir brauchen eine wirkliche Spaltung der Partei, damit sich daraus ein kleinerer, aber funktionierender ANC hervortut. Eine echte Partei und eine ernstzunehmende Opposition."

Einmal zahlen
.

Fehler auf taz.de entdeckt?

Wir freuen uns über eine Mail an fehlerhinweis@taz.de!

Inhaltliches Feedback?

Gerne als Leser*innenkommentar unter dem Text auf taz.de oder über das Kontaktformular.

Bitte registrieren Sie sich und halten Sie sich an unsere Netiquette.

Haben Sie Probleme beim Kommentieren oder Registrieren?

Dann mailen Sie uns bitte an kommune@taz.de.