Wachstums-Enquete des Bundestages: Maßstäbe für das gute Leben

Wer Wohlstand und Lebensqualität intelligent bestimmen will, braucht mehr als das Bruttoinlandsprodukt. Die Wachstums-Enquete streitet über Kriterien.

Viele Glückskatzen machen noch lange nicht glücklich. Bild: dpa

BERLIN taz | Lässt sich das gute Leben mit einer Zahl beschreiben? Und wenn ja, wie wird sie errechnet? Darüber diskutiert die Enquetekommission des deutschen Bundestages „Wachstum, Wohlstand, Lebensqualität“.

Das Bruttoinlandsprodukt (BIP), das den Wert aller innerhalb eines Jahres produzierten Waren und Dienstleistungen beziffert, reicht jedenfalls nicht mehr aus, um den Wohlstand in Deutschland zu messen. Darüber sind sich die Mitglieder der Arbeitsgruppe 2 der Kommission einig.

In der Enquetekommission, die seit Anfang 2011 arbeitet und nächstes Jahr ihren Abschlussbericht vorlegen soll, geht es um nicht weniger, als ein Leitbild für die politische Gestaltung der nächsten Jahrzehnte zu entwickeln. Das heißt: Welche Zukunft wünschen wir uns für das Land? Zwar sind die meisten Arbeitsgruppen inzwischen in ideologische Grabenkämpfe verwickelt. Die Abgeordneten und Fachleute, die eine alternative Wohlstandsmessung zum BIP entwickeln, sind aber guter Dinge, dass sie bis Dezember ein neues Konzept vorlegen können.

Dabei solle das Bruttoinlandsprodukt weiter gelten, sagt Kerstin Andreae, stellvertretende Fraktionsvorsitzende der Grünen im Bundestag und ehemals Mitglied der Arbeitsgruppe. „Wir müssen ihm aber auf Augenhöhe andere Messgrößen danebenstellen“.

Das könnten etwa die Einkommensverteilung, der Schuldenstand, der ökologische Fußabdruck und Bildungschancen sein. Schon heute werde das BIP längst nicht mehr so ernst genommen wie früher, sagt Gert G. Wagner, Chef des Deutschen Instituts für Wirtschaftsforschung und Mitglied der Arbeitsgruppe. Stattdessen schauten alle „auf die Arbeitslosenzahl“. Wirtschaftswachstum und Beschäftigung gelte es nun um das Thema Umweltverträglichkeit zu ergänzen. Zwar gibt es schon jetzt zahlreiche Informationen über die ökologische oder soziale Lage in Deutschland.

Es fehlt die Übersichtlichkeit

Ein Beispiel: Das Statistische Bundesamt gibt den Nachhaltigkeitsbericht heraus, der den Treibhausgasausstoß genauso erfasst wie Einkommensunterschiede zwischen Frauen und Männern oder die Zahl der Raucher. Regelmäßig werden Zahlen über die öffentliche Verschuldung oder Kindergartenplätze publiziert.

„Was wir nicht haben, ist ein Set, in dem die Indikatoren übersichtlich dargestellt werden“, sagt Beate Jochimsen, Kommissionsmitglied und Professorin für Finanzwissenschaft an der Hochschule für Wirtschaft und Recht Berlin.

Diese Daten müssten sowohl international als auch im Zeitverlauf vergleichbar sein. Noch offen ist, ob das Indikatorenset zu einer „Gesamtzahl“ zusammengeführt werden soll. Wagner, der für ein Indikatorenset eintritt, schlägt vor, dass „neben dem Sachverständigenrat für die Begutachtung der gesamtwirtschaftlichen Entwicklung ein weiterer eingerichtet wird, der das neue Indikatorenset jährlich errechnet und kommentiert“.

So werde ein öffentlicher Diskurs über die verschiedenen Zahlen entstehen, und sie bekämen mehr Gewicht. Und das Glück? Wagner, selbst ein international ausgewiesener Zufriedenheitsforscher, möchte keinen entsprechenden Indikator in das Tableau aufnehmen. „Nur wenn die statistische Messung von Glück und Zufriedenheit aus der direkten politischen Auseinandersetzung herausgehalten wird, bleiben die Ergebnisse aussagekräftig.“

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