Privatisierung auf Raten

AUTONOMIE Als Stiftungen sollen Unis staatsferner und wirtschaftsnäher sein. Mehr Geld hat das bisher kaum gebracht – dafür aber neue Probleme

BERLIN taz | Die Freude war ihr anzumerken. Im Frühjahr 2008 erklärt Gesine Schwan, damals Rektorin, per Videogrußwort, dass die Universität Viadrina nun eine Stiftungshochschule ist. „Wir werden deutlich autonomer handeln können“, erklärt sie. „Und damit sind wir auch attraktiver für potenzielle Geldgeber.“

Weniger Staat, mehr privat: Die brandenburgische Viadrina ist nicht die einzige Hochschule im Stiftungsformat. Schon vor zehn Jahren hatte Niedersachsen begonnen, Unis dergestalt umzuwandeln. Die in Göttingen, Hildesheim und Lüneburg werden formell nicht mehr vom Land direkt getragen, sondern von einer Stiftung. In Frankfurt/Main ist die Uni seit 2008 Stiftungshochschule. Und die Uni Lübeck strebt ihre Umwandlung an, weil die Landesregierung vor drei Jahren erwog, die medizinische Fakultät zu schließen.

Die Umwandlung einer Universität in eine Stiftung soll eine Privatisierung auf Raten einleiten: Das Land stellt in der Regel zwar den Hauptteil des Stiftungsvermögens, aus dessen Erträgen sich die Hochschule mit finanziert. Privatleute und Unternehmen können diesen Kapitalsockel aber durch Zustiftungen aufstocken – und so zu Miteignern werden. „Eine Stiftungshochschule ist vielleicht autonom vom Staat, aber nicht von den Stiftern. Das muss nicht unbedingt besser sein“, sagt Andreas Keller, Hochschulexperte der Bildungsgewerkschaft GEW.

Bei der Uni Viadrina sind laut Stifterbuch bisher 152 Unternehmen und Privatleute eingestiegen. Mit welchen Summen, ist unklar. Finanzkräftige Namen im Stifterbuch sucht man neben der Sparkasse Oder-Spree, einem Autohaus und der örtlichen IHK jedoch vergeblich.

„Der erhoffte private Zustiftungshype ist an den meisten Unis ausgeblieben“, sagt Torsten Bultmann, Geschäftsführer des wirtschaftskritischen Bundes demokratischer Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler. Das bestätigen auch die Hochschulen: Es habe noch „keine nennenswerten Zustiftungen“ gegeben, teilt die Uni Göttingen mit. Der Aufbau eines Stiftungskapitals sei „sehr langwierig“, entschuldigt sich ein Sprecher der Uni Lüneburg. Nur in der Finanzmetropole Frankfurt am Main kommen schon 38 Prozent des Stiftungskapitals der Uni nicht mehr vom Land. Das entspricht privaten Zustiftungen in Höhe von 61 Million Euro.

Eine weitere Hoffnung lautete: Als Stiftung falle es den Hochschulen leichter, Forschungsgelder bei der Wirtschaft einzuwerben. Einen zwingenden Grund für diese Annahme gibt es nicht. Dem Centrum für Hochschulentwicklung (CHE), das von der privaten Bertelsmann-Stiftung mitgetragen wird, fällt in einem Arbeitspapier vor allem ein Argument ein: Als Stiftung habe eine Hochschule ein wirtschaftsnäheres Image. BERND KRAMER