Neue Löcher in Athen

HAUSHALT Nicht nur die Verschuldung Griechenlands ist ein Problem. Aktuell wird die Regierung von steigenden Haushaltsdefiziten geplagt. Selbst die pünktliche Zahlung der März-Renten ist in Gefahr

BERLIN taz | Die griechische Linksregierung verhandelt über die Altschulden ihres Landes – doch schon klaffen neue Milliardenlöcher im Etat. Nach Schätzungen dürften etwa 6,5 Milliarden Euro fehlen.

Ein erstes Problem: Die Steuereinnahmen sind seit November um etwa 5 Milliarden Euro eingebrochen, weil viele Griechen die Überweisungen ans Finanzamt eingestellt haben. Da Syriza versprochen hat, die verhasste Immobiliensteuer zu senken, nahmen viele Steuerbürger dieses Wahlgeschenk schon einmal vorweg.

Auch bei den Sozialversicherungen steht bereits ein Minus von 1,5 Milliarden Euro in den Büchern. Bereits im März könnte es schwierig werden, die Renten pünktlich auszuzahlen, wie die neue Regierung einräumen musste. Gleichzeitig ist es eher unwahrscheinlich, dass so bald die ersehnten neuen Einnahmen fließen.

Der griechische Premier Alexis Tsipras hat zwar versprochen, die Reichen stärker zu besteuern. Doch eine Gruppe ist bereits ausgenommen, wie griechische Zeitungen berichten: die Reeder. Denn die Schifffahrt ist in Griechenland nur ansässig, weil sie keine Steuern zahlen muss. Sonst würde sie abwandern, zum Beispiel nach Zypern. Der neue Wirtschaftsminister Stathakis weiß dies bestens: Er stammt aus einer Reederfamilie.

Auch Kredite kann die Regierung nicht einfach aufnehmen, um ihre Kassen aufzufüllen. Selbst für kurz laufende Schatzbriefe benötigt sie die Genehmigung der Europäischen Zentralbank (EZB).

Auswärtige Hilfe ist ebenfalls nicht zu erwarten. Theoretisch kämen zwar Russland oder China als Kreditgeber infrage, doch auch Moskau und Peking können rechnen. Man weiß genau, dass die europäischen Krisenländer ihre Schulden nicht zurückzahlen können, weswegen Russen und Chinesen es bisher immer abgelehnt haben, Hilfskredite zu vergeben. Tsipras kennt diese Vorbehalte und sagte bei seinem Zypern-Besuch am Montag, es gebe momentan „keinen solchen Gedanken“, die Russen um einen Kredit zu bitten.

Doch nicht nur die Regierung ist in Bedrängnis, auch die griechischen Banken stehen am Abgrund. Denn viele Griechen haben Angst, dass ihr Land die Eurozone verlassen könnte – und heben ihre Ersparnisse ab oder transferieren sie ins Ausland. Allein im Januar sollen die griechischen Banken rund 11 Milliarden Euro an Einlagen verloren haben.

Die Banken müssen sich also frisches Geld bei der griechischen Notenbank leihen – was ebenfalls nur möglich ist, wenn die EZB einverstanden ist. Die Banker in Frankfurt haben aber schon klargestellt, dass die Notprogramme für die griechischen Banken nur weiterlaufen, wenn sich Athen an die Vereinbarungen mit der Troika hält.

Tsipras bleibt nur der Verhandlungsweg. Athen soll jährlich noch etwa 6 Milliarden Euro an Zinsen für seine Altschulden bezahlen. Käme es zu einem Schuldenschnitt, könnte Tsipras dieses Geld dafür verwenden, die neuen Löcher zu stopfen, die in seinem Etat aufgetaucht sind.

ULRIKE HERRMANN