Maffay über Rumänen und Rechtsradikale: „Es macht keinen Spaß, Exot zu sein“

Über den NSU-Prozess wird zu wenig berichtet, sagt Peter Maffay. Er spricht außerdem über „Armutsmigration“ und seine späte Rückkehr nach Rumänien.

Der erfolgreichste Deutschrocker: Peter Maffay. Bild: RCA/Promo

taz: Herr Maffay, wie fanden Sie die Debatte über „Armutsmigration“, die mit der EU-Freizügigkeit für Rumänien und Bulgarien zum Jahreswechsel aufkam?

Peter Maffay: Diskriminierend. Und auch nicht richtig. Es kommen Leute aus Rumänien, aus Osteuropa zu uns, die studiert haben und fachlich ausgebildet sind. Über solche Menschen sollten wir froh sein, weil sie zusätzliche Kompetenzen in unsere Wirtschaft mitbringen. Es ist ja nicht so, dass jeder, der aus diesen Ländern kommt, bloß unter den sozialen Schirm will, den unsere Gesellschaft in bemerkenswerter Form geschaffen hat.

Was halten Sie von dem Slogan: „Wer betrügt, der fliegt“.

Der Satz ist in diesem Zusammenhang unnötig, ja zynisch. Und diesen Zynismus brauchen wir nicht. Damit fischt man nach irgendwelchem Beifall aus der falschen Ecke. Aber wir haben bei weitem schon genug Rechtsradikalismus und brauchen nicht zusätzlichen Zündstoff.

Sie engagieren sich seit Jahren gegen Rechtsextremismus. Warum?

Nach dem Zweiten Weltkrieg und der Vernichtung der Juden sollten eigentlich alle Gesellschaften dieser Welt kapiert haben, dass sich so etwas niemals wiederholen darf. Trotzdem entwickelt sich in Teilen der Welt ein neuer Rechtsradikalismus – nicht nur bei uns, sondern auch in Italien, in Frankreich, in Rumänien und Ungarn. Ich versuche, für mich persönlich eine Antwort auf diese Entwicklung zu finden.

64, ist der erfolgreichste Musiker Deutschlands. Er verkauft mehr Alben als Grönemeyer, Westernhagen und Lindenberg. Mit seinen rumäniendeutschen Eltern kam er 1963 als Peter Makkay aus Siebenbürgen in die Bundesrepublik, der Karriere wegen wandelte er seinen Nachnamen leicht in Maffay ab. Am Anfang sang er Schlager („Und es war Sommer“), ab 1979 sattelte er auf pathossatten Deutschrock („Über sieben Brücken musst du gehen“) um, ab 1984 entwickelte er für Kinder das Rockmusical „Tabaluga“. 16-mal stürmten seine Alben auf Anhieb an die Spitze der deutschen Charts - zuletzt gelang ihm das mit „Wenn das so ist“ (RCA/Sony), das im Januar erschienen ist. Ab Januar wird er damit wieder auf Deutschland-Tournee gehen, der Vorverkauf hat gerade begonnen. Maffay pendelt zwischen seiner Finca in Mallorca, wo er lebt, und Tutzing am Starnberger See, wo er ein Studio besitzt und seine Stiftung ihren Sitz hat.

Nachdem die Mordserie der NSU-Terroristen aufgeflogen war, sind Sie 2011 beim „Rock gegen Rechts“-Konzert in Jena aufgetreten, und Sie werden zum Jahrestag des Nagelbombenanschlags in Köln spielen. Wie intensiv verfolgen Sie den Prozess in München?

Ich verfolge das, so gut ich kann. Aber die Art und Weise, wie dieser Prozess abläuft, ist für mich nicht nachvollziehbar. Ich habe den Verdacht, dass es da irgendwo Sympathisanten geben muss. Es gibt ja mittlerweile genügend Belege von „Inkompetenz“ und „Missverständnissen“, bis in hohe gesellschaftliche Positionen hinein. Ich habe das Gefühl, dass das versanden soll. Und unsere Gesellschaft reagiert viel zu träge darauf.

Wie sollte sie denn reagieren?

Ich finde, dass es wenig Themen gibt, die eine solche Brisanz haben wie dieser Prozess. Trotzdem findet er in der Öffentlichkeit ein verhältnismäßig geringes Echo. Wenn ich die Zeitung aufschlage, finde ich irgendwo auf irgendeiner Seite versteckt etwas darüber. Dabei ist das eine permanente Schlagzeile.

Sie haben in der Vergangenheit mit den deutsch-türkischen Rappern von Cartel und sogar mit Bushido zusammengearbeitet. Fühlen Sie sich den jungen Migranten von heute besonders verbunden?

Ich habe in meinem Freundeskreis viele Freunde, die Migranten sind. Ich selbst bin, wenn ich in Spanien bin, ein Ausländer. Als ich mit meinen Eltern 1963 aus Rumänien nach Deutschland kam, waren wir Ausländer. Also, wir sind doch alle irgendwo auf der Welt immer in irgendeiner Form Ausländer. Diesen Blickwinkel sollten wir zumindest manchmal einnehmen, weil er unsere Position relativiert.

Sie sind mit 14 aus Rumänien nach Deutschland gekommen. Sind Sie damals auch aufgrund Ihrer Herkunft ausgegrenzt worden?

Klar, es gab Gesten, Blicke und Bemerkungen, die zeigen sollten: du gehörst nicht dazu. Und es gab das Schimpfwort „Rucksackdeutscher“. Aber diese offen ausgesprochene Feindschaft, die es heute gibt und die bis zum Hass reicht, die habe ich selbst nie erlebt.

Hat Ihr rollendes „r“ am Anfang Ihrer Karriere für Kommentare gesorgt?

Natürlich! Ich habe das in etlichen Kritiken gelesen – von Leuten, die eigentlich mehr in der Birne mehr haben sollten. Die haben dann geschrieben: Was soll das, warum spricht der das r so komisch, kann man das denn nicht anders singen? So einen Blödsinn halt. Gehen sie doch mal nach Spanien, da rollen sie r ohne Ende, oder nach Bayern. Das ist doch dummes Zeug.

War das nicht symptomatisch für den Geist der damaligen Zeit?

Ich weiß nicht. Als ich als Jugendlicher nach Deutschland kam, hatte ich den Eindruck, dass unsere Gesellschaft offen ist und dass sie so kurz nach dem Krieg die alten Fehler nicht wiederholen wollte. Möglicherweise aber habe ich das damals auch nicht gut genug durchblickt. Heute wissen wir, dass es vielleicht nur die „Ruhe vor dem Sturm“ war – dass diese Haltung in Teilen der Gesellschaft immer noch da war, aber bloß nicht so deutlich zum Ausdruck gebracht wurde. Ich glaube aber auch, dass sich die Situation im Laufe der Zeit verschärft hat. Diese Form von Härte, die heute auf der Straße herrscht, die gab es früher jedenfalls noch nicht.

Hatten Sie zu Beginn Ihrer Karriere nicht auch einen Exotenbonus? So nach dem Motto: der ungezähmte Junge aus dem wilden Osten?

Glauben Sie mir, darauf hätte ich keinen Wert gelegt. Es macht keinen Spaß, ein Exot zu sein. Ich habe übrigens mal mit ein paar Leuten, die in der Lage sind, in Archiven zu stöbern, zum Spaß ein bisschen Ahnenforschung betrieben. Da haben wir festgestellt, dass meine Familie mütterlicherseits aus dem Saarland kommt. Daran sieht man doch, wie relativ Herkunft ist.

Sie sind vor sieben Jahren das erste Mal seit Ihrer Auswanderung wieder nach Rumänien gereist. War das eine Art Rückkehr?

Ja, das hat mich selbst überrascht. Deutschland ist eindeutig meine Heimat, ich war ja über 30 Jahre nicht mehr in Rumänien. Ich hatte deshalb gedacht, irgendwann sei das Thema abgehakt, aber das war ein Trugschluss. Wenn ich durch Kronstadt gehe, tauchen in jeder Gasse oder hinter etlichen Häusern Bilder und Erinnerungen auf an Sachen, die ich erlebt habe. Ich sehe meine Schule, mein Geburtshaus und viele kleine Geschichten, die sich darum ranken. Dort jetzt mit Freunden und Partnern tätig zu sein, das hat eine sentimentale Komponente, keine Frage. Aber ich möchte damit auch einen kleinen Beitrag leisten zu einer Balance, an der es in Europa noch mangelt. Unser Ansatz ist, dort zu helfen, wo die Probleme existieren.

Sie haben in dem Dorf Radeln ein Kinderheim gegründet. Was genau muss man sich darunter vorstellen?

Radeln ist in ein altes Dorf in Siebenbürgen, aus dem die deutsche Bevölkerung fast vollständig ausgewandert ist. An ihre Stelle sind neue Bewohner gerückt, darunter viele Roma. Wir haben dort unter anderem in der Nähe einer historischen Kirchenburg ein altes Pfarrhaus gekauft und einen Öko-Bauernhof, ein Ärztehaus und eine Autowerkstatt eingerichtet. Unsere Stiftung betreibt bereits zwei solcher Projekte: eines in Deutschland und eines auf Mallorca. Die Einrichtung in Rumänien ist 2008 als letzte hinzugekommen.

Wem stehen Ihre Häuser offen?

Das sind Kinder, die aus sehr ärmlichen Verhältnissen kommen oder in Heimen leben und die oft durch Gewalt oder Missbrauch traumatisiert sind. Sie können bei uns ihre Ferien verbringen. Kinder brauchen solche Oasen – viele von ihnen haben ja noch nie in solchen Häusern, in solch einer Umgebung gelebt. Ich bin froh, dass wir rund tausend Kindern pro Jahr diese Möglichkeit bieten können.

Wird die Musik damit nicht zur Nebensache?

Zwei Drittel meiner Zeit geht für die Stiftung drauf. Die Musik muss sich da unterordnen, da haben Sie schon recht. Unsere Stiftung existiert seit zwölf Jahren. Wenn sie in dieser Form in zehn oder zwanzig Jahren noch erfolgreich weitermachen soll, müssen wir entsprechende Strukturen und eine wirtschaftliche Perspektive haben.

Sie werden dieses Jahr 65 Jahre alt. Sie könnten es doch auch gemütlicher angehen lassen und auf Ihrer Harley herumfahren.

Ich finde Motorradfahren obergeil. Aber das würde mir trotzdem nach kurzer Zeit ziemlich langweilig werden. Das mache ich ein paar Stunden oder ein paar Tage, und dann ist auch gut. Das ist mein Hobby, so wie andere Briefmarken sammeln. Aber wenn man die Kinder erlebt, die bei uns ihre Zeit verbringen – das hat schon eine andere Qualität. Das wird auch die nächsten Jahre mein Fokus bleiben.

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