Lobbyismus in der EU: Banker bestimmen EU-Politik

Die EU-Kommission beruft ein Expertengremium, das bei der Regulierung der Finanzmärkte helfen soll - und nominiert fast nur Vertreter der Branche. Das ist kein Einzelfall.

Wenn es nach der EU geht: Banker regulieren Banker. Bild: dpa

Den Banken ist ein weiterer Lobbyerfolg gelungen: EU-Binnenmarktkommissar Michel Barnier hat ein neues Expertengremium geschaffen, das die Regulierung der Finanzmärkte beratend begleiten soll -, und es wurden fast ausschließlich Vertreter der Finanzindustrie berufen. Die neue Group of Experts in Banking Issues (Gebi) hat 40 Mitglieder, doch darunter finden sich nur ein Gewerkschafter und zwei Verbraucherschützer. Dafür stellen die europäischen und amerikanischen Privatbanken die übergroße Mehrheit - auch die Deutsche Bank und die Commerzbank dürfen je einen Abgesandten schicken.

Dabei gab es weitere Bewerber, die nicht bei Banken beschäftigt sind. Einer von ihnen ist Jörg Reinbrecht, der bei der Dienstleistungsgewerkschaft Ver.di für die Finanzdienstleistungen zuständig ist und im Aufsichtsrat der Allianz sitzt. Reinbrecht bewarb sich nicht als Einzelperson bei der EU, sondern war der gemeinsame Kandidat des Europäischen Gewerkschaftsbundes und der weltweiten Dienstleistungsgewerkschaft UNI.

Doch die geballte Unterstützung der Gewerkschaften war erfolglos. Reinbrecht erhielt von der EU-Kommission eine lapidare Absage: Man habe 120 Bewerbungen erhalten und habe die Expertengruppe auf eine "arbeitsfähige Größe" reduzieren müssen. "Eine sachliche Erklärung für die Gremienauswahl habe ich nicht", sagt Reinbrecht. "Es muss politische Gründe geben." Auch Protestbriefe der Gewerkschaften nutzten nichts.

Bei der EU-Kommission hat es durchaus Tradition, Experten einseitig auszuwählen. Dies belegt eine Studie des europäischen Netzwerks Alter-EU, die im vergangenen November erschien. Damals gab es 19 Expertengruppen, die die EU in Finanzthemen berieten. Kaum ein Gremium war ausgewogen besetzt, obwohl eine EU-Mitteilung aus dem Jahr 2002 ausdrücklich vorschreibt, dass "die Kommission Wissen aus verschiedenen Quellen schöpfen und berücksichtigen muss".

Doch die Realität sieht anders aus, wie Alter-EU feststellte: "Das Verhältnis von Finanzexperten zu Wissenschaftlern, Verbraucherschützern, Vertretern der Zivilgesellschaft oder Gewerkschaften beträgt vier zu eins." Insgesamt wurden in den 19 Beratergremien 229 Vertreter der Finanzindustrie gezählt. Damit hätten die Banklobbyisten eine absolute Übermacht, denn die EU-Kommission beschäftige nur rund 150 Beamte für die Finanzmarktregulierung. Die Gewerkschaften können erst recht nicht konkurrieren: Im Brüsseler Europabüro von UNI befasst sich nur eine Vollzeitkraft mit den Finanzmärkten - nebenher. Sie hat noch andere Aufgaben.

"Es darf kein Übergewicht der Finanzindustrie geben", fordert der grüne Europa-Abgeordnete Sven Giegold. Die EU-Kommission müsse alle Expertengruppen ausgewogen besetzen. Zudem vermisst Giegold jene Transparenz, zu der sich die EU-Kommission in ihrer Mitteilung von 2002 selbst verpflichtet hat: "Alle Protokolle der Beratergremien müssen veröffentlicht werden."

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