Mächtige Lobbys

FREIHANDEL EU-Kommission agiert einem Bericht zufolge als Sprachrohr für Konzerninteressen

BERLIN taz | Die Verhandlungen zwischen der EU und Indien über ein Freihandelsabkommen werden von Interessen von Großkonzernen dominiert. Diesen Vorwurf erheben die Nichtregierungsorganisationen Corporate Europe Observatory (CEO) und India FDI Watch in einem am Mittwoch veröffentlichten Bericht. Danach arbeiten die EU-Unterhändler eng mit Vertretern von Industrie, Landwirtschaft, Einzelhandelsketten und Pharmaunternehmen zusammen und machen sich deren Forderungen zu eigen.

Die Autoren zitieren aus internen Dokumenten der EU-Kommission über regelmäßige Treffen zwischen Unterhändlern und Lobbyisten, bei denen die Wirtschaftsvertreter ihre Forderungen einbrächten und ihrerseits mit Informationen über die laufenden Verhandlungen versorgt würden. Dabei gehe es darum, „sensible Elemente bezüglich der Position der Industrie und/oder der Verhandlungsposition der EU auszutauschen“, heißt es zum Beispiel im Protokoll eines Treffens der Arbeitsgruppe zum Freihandelsabkommen beim Wirtschaftsverband BusinessEurope. „Wir können die Kommission als unser Sprachrohr benutzen“, sagte dem Bericht zufolge ein Mitglied der European Business Group. Auf indischer Seite finde eine ähnliche Einflussnahme der Lobbyisten auf die Verhandlungen statt.

„EU-Kommission und indische Regierung haben die Verhandlungsagenda an die Unternehmenslobbys übergeben, ohne Rücksicht auf die Bedürfnisse ihrer Bürger“, sagt Pia Eberhardt von CEO. Das sei ein Skandal für zwei sogenannte Demokratien.

Menschenrechts- und Umweltorganisationen kritisieren unter anderem die Forderungen von Industrie, Landwirtschaft und Handelsketten nach einem umfassenden Abbau von Zöllen und Handelsbeschränkungen und einer Öffnung des indischen Einzelhandels für europäische Ketten. Dadurch sei der Lebensunterhalt von Millionen indischer Bauern und Händler in Gefahr, befürchten auch CEO und India FDI Watch.

EU-Handelssprecher John Clancy bezeichnete die Vorwürfe auf Anfrage der taz als unfair. Die Kommission lege großen Wert darauf, die Position aller interessierten Parteien zu hören. Mit Vertretern der Zivilgesellschaft gäbe es regelmäßige Treffen.

Die Kritiker fordern hingegen einen Stopp der Verhandlungen, bis alle relevanten Dokumente zugänglich seien, Beratungen mit den betroffenen Gruppen stattgefunden und die Verhandlungspartner ihre „undemokratische Liaison“ mit den Unternehmenslobbys beendet hätten.FRIEDERIKE SCHMITZ