Chinas Kommunen fehlen Milliarden: Die unheimliche Verschuldung

China zögert, sich für die Euro-Rettung zu engagieren. Das Land hat selbst riesige Finanzprobleme, viele Provinzen sind hoch verschuldet.

So viele Yuans – und trotzdem nicht genug: Bankangestellter in der Provinz Anhui. Bild: dpa

PEKING taz | Europäische Politiker hoffen derzeit auf großzügige Finanzspritzen aus China. Doch womöglich haben sie die Rechnung ohne den Wirt gemacht. Denn so stark China mittlerweile nach außen auftritt, so schwierig ist die Situation derzeit im eigenen Land. Längst raufen sich auch Chinas Politiker die Haare, weil sie nicht wissen, wie sie mit einer Kreditschwemme fertig werden sollen. Intern geben Funktionäre zu, dass Milliarden von Dollar falsch investiert wurden – und womöglich für immer weg sind.

"Die Zentralregierung hat längst nicht mehr im Griff, was die Behörden auf lokaler Ebene tun", sagt Christine Wong, Beraterin der Weltbank. Und tatsächlich: Nicht nur Metropolen wie Schanghai und Peking, sondern Tausende Städte stehen bei den staatlichen Banken tief in der Kreide.

Mit schuld daran ist das gewaltige Stimuluspaket aus dem Jahr 2008, mit dem Premierminister Wen Jiabao versuchte, sein Land vor den Folgen der aus den USA herüberschwappenden Finanzkrise zu schützen und Jobs und Firmen zu retten. Damals versprach Peking, umgerechnet rund 440 Milliarden Euro in die Wirtschaft zu pumpen. Davon stammten allerdings nur 133 Milliarden aus dem Staatshaushalt. Der Rest sollte von den Banken, Staatsbetrieben und Privatleuten kommen.

Die Folge: Bürgermeister allerorten erhielten von den Banken so viel Geld, wie sie beanspruchten. Weil sie nach dem Gesetz keine Schulden machen dürfen, nutzten sie Finanzierungsfirmen, die das Geld für sie aufnahmen. Öffentliche Einrichtungen wie Schulen, Krankenhäuser oder die Eisenbahn hatten plötzlich Zugang zu vollen Töpfen.

Geldmenge wuchs in zwei Jahren um 30 Prozent

Der Haken: Niemand führte genau Buch. Als Sicherheit dienten Grund und Boden, die die lokalen Finanzgesellschaften überschrieben bekamen – und für Immobiliengeschäfte nutzten. Millionen Bauern verloren – häufig durch Zwang – ihr Land, um für Bauvorhaben Platz zu machen. Gleichzeitig druckte die Pekinger Zentralbank eifrig frische Yuan. Allein zwischen 2009 und 2010 wuchs die Geldmenge um fast 30 Prozent an.

Als staatliche Rechnungsprüfer in diesem Jahr herauszufinden versuchten, wie viel sich die örtlichen Verwaltungen zusammengeliehen hatten, kamen sie auf fast 119 Milliarden Euro bis Ende 2010. Inzwischen dürfte die Summe auf 155 Milliarden Euro angewachsen sein. Die Übersicht ist deshalb so schwer zu erstellen, weil viele örtliche Behörden Geld nicht nur von den Banken, sondern von einem unüberschaubaren Konglomerat von Staats- und Privatunternehmen, Untergrundbanken und privaten Spekulanten erhielten.

Die Zentralregierung ist zwar im vergangenen Jahr auf die Kreditbremse getreten – doch vielerorts wollen sich die Banken nicht an die Vorgaben aus Peking halten. Das alles scheint besonders erstaunlich, weil die Staatsbanken Chinas regelmäßig gute Profite bekanntgeben. Die größte Bank des Landes, ICBC, meldete erst vor ein paar Wochen neue Rekordgewinne.

Ein neues Stimuluspaket wie das von 2008 dürfte in China aber nicht mehr so schnell geschnürt werden. "Die Politiker in Peking sind vorsichtiger geworden", glaubt Expertin Wong. Um den Schuldenberg abzutragen, haben sie inzwischen einige der großen Infrastrukturprojekte gestoppt, darunter den weiteren Ausbau der Trasse für Hochgeschwindigkeitszüge. Für Exportnationen wie Deutschland oder Österreich sind das keine guten Aussichten.

Einmal zahlen
.

Fehler auf taz.de entdeckt?

Wir freuen uns über eine Mail an fehlerhinweis@taz.de!

Inhaltliches Feedback?

Gerne als Leser*innenkommentar unter dem Text auf taz.de oder über das Kontaktformular.

Bitte registrieren Sie sich und halten Sie sich an unsere Netiquette.

Haben Sie Probleme beim Kommentieren oder Registrieren?

Dann mailen Sie uns bitte an kommune@taz.de.