Vater des Memorandums

„Durch eine andere Wirtschafts- und Verteilungspolitik dafür sorgen, dass die falsche Verteilung gar nicht erst entsteht“

Wer sich in Deutschland aus linker Sicht mit den Vorgängen in der Wirtschaft befasste, kam kaum an ihm vorbei: Jörg Huffschmid, pensionierter Hochschullehrer für politische Ökonomie an der Universität Bremen, war einer der renommiertesten Ökonomen des Landes. Am Samstag ist er im Alter von 69 Jahren gestorben.

Zusammen mit Rudolf Hickel und Herbert Schui gründete Huffschmid 1975 die Arbeitsgruppe Alternative Wirtschaftspolitik. Ihr jährliches Memorandum hat sich längst als Gegengutachten zu den offiziellen Gutachten des Sachverständigenrates zur Begutachtung der gesamtwirtschaftlichen Lage etabliert. Im Gegensatz zu den von der Regierung beauftragten Wirtschaftsweisen setzt sich die Memorandum-Gruppe für eine keynesianisch orientierte Politik ein, um den Teufelskreis von Nachfrageschwäche und Massenarbeitslosigkeit zu durchbrechen. 1995 kam die europäische Gruppe Euro-Memorandum hinzu. Schon 1969 machte Huffschmid durch sein Buch „Die Politik des Kapitals – Konzentration und Wirtschaftspolitik in der Bundesrepublik“ auf sich aufmerksam. In den 1980er-Jahren war er im Vorstand der DKP und im Beirat des parteinahen Instituts für marxistische Studien und Forschungen. Die Unternehmenskonzentration gehörte weiter zu seinen Arbeitsfeldern, bald schon ergänzt durch europäische Integration, die „Politische Ökonomie der Finanzmärkte“ – so der Titel eines seiner Werke – und Globalisierung.

Der Mitherausgeber der Blätter für deutsche und internationale Politik, der sein privates von seinem öffentlichen Leben stets trennte, war im Jahr 2000 Mitglied der Bundestags-Enquêtekommission zur „Globalisierung der Weltwirtschaft“. Da war es nur folgerichtig, dass er auch im wissenschaftlichen Beirat des globalisierungskritischen Netzwerks Attac saß, das nicht zuletzt von einigen seiner Studenten mit gegründet worden war.

Die Finanzkrise konnte ihn nicht überraschen. Schon 2004 schrieb er in der taz: „Vor allem aber ist es erforderlich, durch eine andere Wirtschafts- und Verteilungspolitik dafür zu sorgen, dass die sozial und volkswirtschaftlich schädliche falsche Verteilung gar nicht erst entsteht. Diese ist der Grund für die Fehlentwicklungen der weltweiten Finanzmärkte.“ NICOLA LIEBERT